Samstag, 27. Juli, 2024

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„Wenn Männer allein einkaufen” – Kolumne von Barbara Edelmann

Albert Einstein definierte vor langer Zeit Wahnsinn wie folgt: wenn man immer dasselbe tut, aber jedes Mal ein anderes Ergebnis erwartet. So geht es mir seit Jahren, wenn ich meinen Mann allein zum Einkaufen schicke. Genauso gut könnte ich mir wie ein düster dreinblickender Mafia-Boss eine Zigarre mit einem Geldschein anzünden und dann zusehen, wie die Banknote im Aschenbecher verbrennt.

Trotzdem musste ich aber vor einigen Wochen, während ich mit einer richtig fiesen Grippe, geschwollener Nase und geröteten Augen auf der Couch vor mich hin jammerte und im Fieberwahn wirre Facebook-Kommentare schrieb, in den sauren Apfel beißen und meinen Mann bitten, allein einkaufen zu gehen, was jedes Mal den größten anzunehmenden Unfall für unseren Geldbeutel bedeutet.

Für einen Marathon durch unseren Discounter fühlte ich mich außerstande, denn ich mag es schon an gesunden Tagen nicht, ständig von gehetzten Menschen angerempelt zu werden oder den Einkaufswagen in die Flanken zu kriegen, und jetzt war ich auch noch krank.

Also schrieb ich inmitten eines Bergs gebrauchter Papiertaschentücher folgende Liste:

  • 1 Netz Orangen
  • 2 mal 250 g Butter
  • 1 Tube scharfer Senf
  • 300 g Aufschnitt
  • 1 Päckchen Kamillentee
  • 10 Eier (Bio)
  • 2 Tafeln Schokolade (von Aldi, die mit der Praline-Füllung)
  • 1 Mischbrot
  • 2 Kästen Mineralwasser
  • 2 Kästen Cola Light, falls im Angebot
  • Sachen von der Reinigung abholen (bei Gül, gegenüber von der Kasse!)
  • Bitte Lottoschein abgeben und noch mal spielen (rechts vor dem Ausgang!)

Dann klemmte ich mit einer Büroklammer 100 € an den Zettel und legte mich wieder hin, während mein Mann mit verdächtig leuchtenden Augen und einem roten Klappkorb für die nächsten drei Stunden verschwand. Ich war während dieser Zeit kurz eingenickt und schreckte erst wieder hoch, als er schnaufend die Einkäufe in die Wohnung trug.

Wissen Sie, was er mitbrachte?

  • 30 Pfund Nudeln, verteilt auf 3 graue Plastikboxen mit blauem Deckel („Schau mal, da kann man Sachen drin aufbewahren, und du magst doch Nudeln!“)
  • 8 Pfund Kaffee („Den trinkst du ja auf jeden Fall, und ich habe uns insgesamt 8 € gespart!“)
  • 2 blaue Plastikeimer, bis oben hin gefüllt mit Orangen („Eimer kann man immer brauchen, finde ich.“)
  • 2 Päckchen Blasen- und Nierentee („Hab den Kamillentee nicht gefunden, aber in dem sind auch gesunde Sachen drin.“)
  • 10 Britta-Filterkartuschen („Waren 4 € billiger pro Packung, freu dich doch, dass ich mitdenke!“)
  • 500 g Margarine („Wir essen viel zu viel Butter, hast du neulich gesagt, und die kostet nur die Hälfte.“)
  • 6 hartgekochte, gefärbte Eier („Die musst du schon nicht mehr kochen.“)
  • 2 Packungen Vollkornbrot („Hält viel länger, bei der Bundeswehr haben wir das auch immer gegessen.“)
  • Kein Mineralwasser, kein Cola, kein Senf, kein Aufschnitt. Außerdem musste ich noch 14 € drauflegen, denn die 100 € hatten nicht gereicht. Weil wir doch mit den Plastikboxen voller Nudeln so viel gespart hatten…

„Ich habe den Einkaufszettel verloren, aber das meiste wusste ich auswendig“ gestand er mir zerknirscht, als ich die Nudel- und Orangenberge betrachtete, während ich mich fassungslos an der kalt gewordenen Wärmflasche festhielt.

Millionärin würde ich dieses Wochenende wohl wegen des nicht abgegebenen Lottoscheins nicht werden. Dick auch nicht, denn er hatte unter anderem die Schokolade vergessen. Meine Klamotten lagen immer noch bei der hübschen Gül in der Reinigung. Und ich fragte lieber nicht, wer zwei Eimer voller Orangen, von denen einige bereits schimmelten, zu Saft verarbeiten sollte, denn die Antwort hätte mich verunsichert.

Die 30 Pfund Nudeln lagerte ich neben dem bereits vorhandenen Zentner Makkaroni und Rigatoni, den er mir bei seinen letzten Einkäufen angeschleppt hat. Wird wohl noch eine Weile dauern, bis wir die Plastikboxen zur Aufbewahrung von etwas anderem verwenden können.

Normalerweise verwalte ich das Haushaltsbudget und gehe niemals ohne meine App „Einkaufsliste“ los.

Mein Mann schiebt dann immer den Wagen und wartet mit geistesabwesendem Gesichtsausdruck, während ich zielstrebig Artikel ansteuere und die Preise vergleiche. Immerhin verwalte ich das Haushaltsbudget und trage es am Körper, denn es meinem Mann anzuvertrauen, ist zu riskant.

Erstens kann er grundsätzlich nicht an Schildern mit der Aufschrift „Sonderangebot“ oder „Tiefpreis“ vorbeigehen, und zweitens haben wir beide von dem Wort „brauchen“ diametrale Vorstellungen.

Sobald etwas ungewöhnlich verpackt ist, in einer Plastikbox, einem Eimer, einer netten Blechdose oder einem Frischhaltebehälter, brennen bei ihm alle Sicherungen durch, denn es gibt quasi etwas umsonst dazu. Da kann er nicht nein sagen. Am schlimmsten sind diese bröseligen harten Kekse in Blechdosen.

Männer lieben nämlich Blechdosen, kann man doch so herrlich Dinge in ihnen aufbewahren, die man alle 5 Minuten dringend braucht wie zum Beispiel Imbus-Schlüssel von 20 Jahre alten Sofas oder brüchige Gardinenringe (Wir haben seit Jahrzehnten keine Gardinen mehr), angerostete Wäscheklammern, Schrauben in jeder erdenklichen Größe, Verbindungskabel für Computer-Mäuse aus den 90er-Jahren oder alles, aus dem McGyver sich eine Mikrowelle basteln könnte, wenn er mal eine bräuchte.

In unserem Keller lagern noch eine defekte Fritteuse, die ich ihn vor 7 Jahren gebeten habe zu entsorgen („Die repariere ich irgendwann, wenn ich Zeit habe“) und eine uralte Kaffeemaschine, die schon 15 Jahre nicht mehr benützt wurde („Die ist noch einwandfrei, die heben wir auf für den Fall, dass unsere kaputtgeht.“).

Jedenfalls sitzen wir wegen der Besessenheit meines Mannes für Aufbewahrungsbehälter aus buntem Blech immer noch auf einem Berg an dänischem Gebäck, das ich mich niemandem anzubieten getraue, weil es dann immer aussieht, als wäre ich zu faul gewesen, einen Kuchen zu backen. Aber irgendwann wird er sich die Dinger in den Kaffee bröseln, damit er wieder leere Dosen hat. Der Nachschub an krummen Verschlussclips, Verpackungsdraht oder in die Jahre gekommenen antiken Ladekabeln hört ja nie auf.

Ich denke, für Leute wie meinen Mann wird Werbung überhaupt gemacht, weil er vollkommen unkritisch auf alles hereinfällt, das die Branche sich ausdenkt. Jedes Mal, wenn ich ihn allein losschicke, verwandelt er sich in jemanden, der in den 60er-Jahren eingefroren und erst kürzlich wieder aufgetaut wurde. Ich stelle mir immer vor, wie er mit glänzenden Augen durch den Supermarkt spaziert wie ein unbeaufsichtigter Siebenjähriger, wo ihm alle paar Meter bunte Schilder mit verführerischen Worten wie „Rabatt“ oder „Reduziert!“ entgegenblinken.

Das ist zu viel für ihn, so viel Rechenleistung hat sein Gehirn nicht. Und Schilder mit der Aufschrift „Nur heute!“ überfordern ihn mental komplett, denn da müsste er sich eine einmalige Gelegenheit entgehen lassen. Als Jäger und Sammler verstößt das gegen seine innersten Prinzipien.

In der Adventszeit oder kurz nach Weihnachten darf er ohnehin grundsätzlich nicht alleine los – zu gefährlich.

Wissen Sie, manchmal vermisse ich die hübschen kleinen Tante-Emma-Läden, mit denen ich aufgewachsen bin. Ich könnte meinen Mann gefahrlos dorthin schicken, und er käme nur mit dem Notwendigsten nach Hause.

So aber spaziert er unbeaufsichtigt mit unserem Haushaltsgeld an Bergen von Dingen vorbei, die wir so dringend brauchen wie eine Lokomotive und läuft glücklich grinsend Zickzack von einem Sonderangebot zum nächsten wie ein angeschossener Rehbock. So lange eben das Geld reicht.

Das Schlimme ist: ich kann ihm nie wirklich böse sein. Er sieht nach jedem Discounter-Besuch so abgekämpft, aus, als käme er von einem Afghanistan-Einsatz zurück.

Den vergessenen Aufschnitt vermisste er übrigens am Abend des selben Tages, als er Hunger hatte. Ich lasse die Realität für mich arbeiten. Und ich bin mittlerweile wieder gesund.

Nächsten Samstag ziehen wir wieder zu zweit los. Er wird mich bei dem Weinsortiment mit Gratis-Korkenzieher oder der Großpackung Schokolade mit aufblasbarer Duschhaube wieder aufgeregt am Ärmel zupfen. Und Gnade uns Gott, wenn sie gerade irgendwas anbieten, das in einer Plastikbox verpackt ist. Oder in Blech.

Ich darf einfach nicht mehr krank werden. Basta.

Herzlichst,

Ihre Barbara Edelmann

Bildnachweis: picture alliance/United Archives

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