Samstag, 20. April, 2024

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Ein Stern für Oma: Umgang mit Trauer beim Kleinkind – Gastbeitrag

Wenn ein Familienmitglied verstirbt und man nicht nur selbst in Trauer versinkt, sondern auch Nachwuchs im Kleinkindalter hat, ist so eine Phase doppelt schwer. Ich spreche aus Erfahrung, denn als meine Mutter verstarb, war meine Tochter 2 Jahre alt. Da dem Tod der Oma eine aufreibende Pflegezeit vorausging – meine Mutter war schwerstpflegebedürftig – kam meine Kleine gar nicht umhin, das mitzubekommen.

Im Gegenteil: Sie war dabei, wenn wir ihre Oma im Pflegebett waschen, drehen und windeln mussten. Alles spielte sich in unserem Mehrgenerationenhaus ab.

Kein Witz: oft hangelte meine Tochter damals sogar die Windeln für meine Mutter aus der Packung und hielt sie uns mit ihren Patschhändchen hin!

Nach Tod der Oma – wie die Trauer beim Kleinkind händeln?

Eines Tages dann kam, was kommen musste: Meine Mama verstarb. Zur eigenen Trauer gesellte sich auch die Herausforderung, wie ich diesen Umstand meiner Tochter beibringe. Diese fragte natürlich nach der Oma.

Ich beschloss – obwohl nicht gläubig – ihr zu sagen, dass die Oma nun im Himmel ist, bei den Engeln, dass sie abends als Stern leuchtet.

Und keine Schmerzen mehr hat, den ganzen Tag dort oben glücklich ist, singt, mit den Engeln beisammen ist. Mag kitschig klingen und so mancher lächelt vielleicht drüber oder bedient sich lieber der tonnenweise vorhandenen Ratgeber-Literatur in den Buchläden. Für mich stellte sich allerdings diese Variante, meiner Tochter den Tod der Oma – ihr plötzliches „abwesend sein“ – auf diese Art zu erklären, als sehr gut heraus.

Denn ab dem ersten Tag, an dem die Oma nicht mehr da war, gestaltete ich ein Ritual, welches bis heute – wenn auch nunmehr leicht abgewandelt – Bestand hat.

Rituale können eine große Hilfe sein

Nämlich dieses:

nach dem abendlichen Zähneputzen schalten wir im Badezimmer das Licht aus und beide schauen wir gemeinsam aus dem Fenster – gen Himmel.

Leuchten dort oben Sterne, zeige ich auf den, der am hellsten leuchtet und sage zu meiner Kleinen: „Schau, dort, das ist Omas Stern, dort oben lebt sie nun“. Und meine Tochter winkt dem Stern zu und sagt – bis heute! – „Gute Nacht, Oma!“.

Ist der Himmel wolkenverhangen und sternenlos, dann sagen wir: „Oh – Oma ist heute hinter den Wolken versteckt!“. Geht auch okay für meine Tochter. Gewunken wird trotzdem, inklusive “Gute-Nacht”-Spruch.

Natürlich gab es einige Situationen, in denen sie traurig fragte, wann denn die Oma mal wieder „vom Himmel runter kommt“ – aber alles in allem hatte und habe ich das Gefühl, dass uns beiden dieses allabendliche Ritual gut tat und bis heute gut tut.

Auch tagsüber, wenn die Oma seitens meiner Tochter zur Sprache kam oder sie traurig war, weil Oma nun nicht mehr da ist, habe ich mir Dinge, ausgedacht, die wahrscheinlich die Oma jetzt „im Himmel“ mit den Engeln macht (spielen, singen, tanzen, schauen, was ihr Enkelchen macht, was wir machen, usw.).

Es wirkte immer.

Auch Trauer auf dem Friedhof – am Grab meiner Mutter – gestalte ich, wenn meine Tochter dabei ist, eher spielerisch.

Die Trauer spielerisch gestalten – im angemessenen Rahmen

So heißt es bei uns statt „Grab“ „Blumenstelle“ (dass meine Mutter da unter der Erde liegt, habe ich meinem Kind SO noch nicht erklärt…) und meine Tochter sieht es als einen Ort, der für die Oma immer schön mit Blumen dekoriert und gepflegt ist. Sie hilft auch mit, wenn wir gießen, pflanzen und harken. An Weihnachten trägt sie mit Hingabe eine frostsichere, kleine Engelsfigur an Omas „Blumenstelle“.

Liegt mal irgendwie eine umher gewehtes Blumenblatt oder ein (Tannen)Zweiglein quer auf dem Grab, dann ist meine Tochter total aus dem Häuschen und sagt: „schau Mama, die Oma hat was vom Himmel heruntergeworfen!“.

Ich lasse sie in dem Glauben.

Noch. Beziehungsweise, bis sie alt genug ist, die Zusammenhänge zu wissen.

Omas Stern leuchtet solange, wie das Kind daran glaubt

Wann genau das sein wird und wie ich dann herangehe, weiß ich noch nicht. Es wird sich wohl ergeben, so wie „Omas Stern“ sich ergeben hat. Oder wie eines Tages auch die Erkenntnis, dass es den Weihnachtsmann so nicht wirklich gibt, garantiert auch bei meiner Tochter ankommt.

Mal schauen.

Noch ist sie klein und das Ritual schön. Obgleich es sich – ich deutete es oben ja bereits an – mit der Zeit etwas verändert hat!

Denn statt nach dem Zähneputzen direkt am Fenster der Oma gen Himmel zu winken, geht meine Tochter in letzter Zeit dazu über, das Licht zwar zu löschen (ist ein Teil unseres Rituals), aber schon zur Tür zu gehen und „von weitem“ ein kurzes Winken und ein „Gute Nacht, Oma“ Richtung Fenster zu schicken.

Die Vorfreude auf die „Gute-Nacht“-Geschichte ist derzeit stärker als das Ritual und auch Trauer schwächt ab. Kinder werden älter, Dinge verändern sich, das Leben fließt. Und endet vielleicht ja auch irgendwann im Himmel – wer weiß das schon?!

Mehr zu dem Thema “Trauern mit (Klein)Kindern” hier.

Gastautorin Louisa ist frauenboulevard.de-Leserin, Mutter eines Kindes und lebt im Sauerland

Bild: stock.adobe.com / vovan
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