Freitag, 29. März, 2024

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Neuer Mann toppt alte Freunde – Kolumne von Barbara Edelmann

Wissen Sie, was mich richtig sauer macht? Frauen wie Monika, mit denen man über Jahre befreundet ist, zusammen feiert, über alles redet und sogar gemeinsam verreist. Aber kaum haben sie jemanden kennengelernt, sind sie plötzlich wie vom Erdboden verschluckt, und die Zeit reicht dann scheinbar nicht einmal mehr für eine SMS.

Sollte man irgendwann doch von ihnen hören, haben sie wahrscheinlich Streit mit dem Lebenspartner und brauchen einen Rat – oder ein Alibi.

Monika war 35 Jahre lang verheiratet. Sie ist attraktiv, intelligent, gut situiert, und verwitwet, weil ihr Mann während einer Routineoperation unerwartet verstarb. Sie hat einen tollen Job, besitzt mehrere Immobilien und ist finanziell unabhängig. Finanziell…

Der Einsamkeit entfliehen – nur mit Mann…!

Knapp ein Jahr nach dem plötzlichen Tod ihres Mannes machte sich Monika kurzentschlossen auf die Suche nach Nummer Zwei. Sie wollte nicht mehr einsam sein, sie wollte einen Mann an ihrer Seite, denn ohne Begleitung fühlte sie sich unvollkommen, wie sie mir freimütig gestand.

Ihre Versuche waren mäßig erfolgreich. Im Internet lernte sie eine Menge Männer und die sogenannte „Rastersuche“ kennen. Eine Kleinigkeit, die dem Unbekannten an Monika nicht passte, genügte, um nie mehr etwas von sich hören zu lassen. Das irritierte sie sehr, denn sie war bisher der Meinung gewesen, ein guter Fang zu sein.

Darum stieg sie um auf Zeitungs-Inserate, was aber auch nicht so richtig klappte, denn im Weizen war laut ihrer Aussage sehr viel Spreu enthalten. Zu viel trank. Zu alt war. Zu verschroben. Oder zu hässlich. Oder zu arm. Ich zitiere nur…

Traummann mit Halbwertzeit von 14 Tagen

Beim exzessiven Besuch etlicher Single-Bars und Diskotheken lernte sie dann zwar viele Typen kennen, aber die hatten alle eine Halbwertzeit von ungefähr zwei Wochen. Höchstens. Denn Monika war von der Vorstellung besessen, so schnell wie möglich wieder zu heiraten, und das teilte sie jedem neuen Date unverblümt und schonungslos mit.

Nach zwei erfolglosen Jahren mit One-Night-Stands und selbst bezahlten Abendessen versuchte sie es bei einem Heiratsinstitut. Für Monika war das ein schwerer Entschluss, denn sie ist jemand, deren Kochrezepte alle mit der Einleitung beginnen: „Man leihe sich irgendwo zwei Eier“. Sie gibt nämlich nicht gerne Geld aus.

Leider weigerte sich die Leiterin der Partnervermittlung, Monika den ersten Partner gratis „zum Testen“ zu vermitteln, und darum kam kein Vertrag zustande. Moni ist Schwäbin. Die wollen was sehen für ihr Geld. Ein Auto fährt man ja auch erst mal Probe, ehe man es kauft, war ihre Begründung.  Bis dahin fand ich das alles noch witzig.

Verbissene Partnersuche ist nie ein gutes (Vor)Zeichen

Dann begegnete sie – endlich – Ulf durch einen Zufall. Er wohnt ziemlich weit entfernt von ihr, ist etliche Jahre älter, äußerst wohlhabend, und laut ihrer Beschreibung eine umgängliche Natur. Es hätte schlimmer kommen können, und ich freute mich für sie.

Selten habe ich jemanden gesehen, der so unter der Einsamkeit leidet und deshalb so verbissen einen Partner sucht.

Vom ersten Tag dieser Beziehung an ward Monika nicht mehr gesehen. Oder gehört. Gelegentlich schickte sie anfangs noch eine Whats-App-Nachricht, aber auch die wurden spärlicher. Ich nahm an, dass es ihr gut ginge und wollte nicht überkritisch sein. Die Energie, die Moni in ihre Männersuche gelegt hatte, hätte ich nämlich nicht mal aufbringen können, um ein brennendes Bohrloch zu löschen und damit tausende Menschen zu retten.

Sie hatte sich über Jahre ziemlich ins Zeug gelegt, um endlich wieder einen Satz mit „Wir“ beginnen zu können.

Nach kurzer Zeit im 7. Himmel…

Moni ist eine sehr aktive Person. Sie joggt, besteigt gern Berge, fährt Kajak, verreist viel und oft, und geht leidenschaftlich gern zum Essen. Außerdem liebt sie Gesellschaftstänze, und zwar nicht nur der Gesellschaft wegen, sondern wegen ihres unbändigen Bewegungsdrangs.

Kurz nach dem Beginn ihrer neuen Liebe rief sie bei mir an und berichtete enthusiastisch. Ich hörte es mir an, fand es aber nicht so toll:

„Wir gehen nie irgendwohin“, jammerte sie. „Wenn ich viel Glück habe, setzt er sich abends neben mich aufs Sofa und guckt mit mir einen Film an, aber nur, weil ich drauf bestehe. Man merkt, dass er das eigentlich gar nicht will.“

„Wie geht es dir denn so dabei?“, wollte ich wissen. „Bist du enttäuscht?“
„Du hast mir doch gesagt, dass ab einer gewissen Lebensphase jeder seine Altlasten mit sich herumträgt, dass man Menschen nicht ändern kann, und dass ich bereit sein muss, Kompromisse zu schließen, also sehe ich das sportlich“, antwortete sie trocken.

Bloß nicht zu anspruchsvoll sein?

Bingo. Da hatte sie mich erwischt. Moni hatte sich seinerzeit mit solch hochtrabenden Vorstellungen auf die Partnersuche begeben, dass ich ihr geraten hatte, nicht zu anspruchsvoll zu sein, denn dieses makellose Exemplar von Mann, das sie verzweifelt suchte, existierte nicht. Dass sie sich dies so zu Herzen genommen hatte, war mir jetzt irgendwie peinlich.

Ich bin nicht daran gewöhnt, dass jemand auf mich hört.

„Ich habe aber doch nicht gesagt, dass du mit allem einverstanden sein sollst“, sagte ich entgeistert. „Und ich hab auch nicht gesagt, dass du ständig zurückstecken sollst. Seid ihr wirklich noch nie ausgegangen?“

„Nein, sind wir nicht“, meinte sie. „Aber das kommt bestimmt noch. Er ist ein Netter, und ich bin jeden Abend bei ihm.“

Meilenweit für einen Mann…!

„Bei ihm“ bedeutet ungefähr 80 Kilometer einfache Strecke von Monis Wohnort aus. Aber ich selbst bin schon weiter gefahren oder geflogen wegen eines Mannes, nämlich bis nach New York, also antwortete ich nichts. War vermutlich besser so, denn mein Rat, Kompromisse einzugehen, hatte sich ja nicht so toll entwickelt.

Ich hörte aus dem Telefonat heraus, dass gemacht wurde, was Ulf sich vorstellte, und Moni diejenige war, die Kompromisse einging. Eine ganze Menge sogar. Dabei sollte eine Beziehung doch ein ständiges Geben und Nehmen sein.

Nach diesem Anruf war es etliche Wochen still um Moni geworden. Sie meldete sich überhaupt nicht mehr, schickte nicht mal eine SMS.

Ich hoffte einfach nur, dass sie glücklich verliebt neben Ulf jeden Abend auf dem Sofa saß und wollte nicht weiter stören.

Nach langer Funkstille endlich ein Lebenszeichen von ihr

Dann vibrierte vor einigen Wochen mein Handy. Eine total aufgebrachte Monika war dran. Es wurde ein langes Gespräch. Sie musste eine ganze Menge loswerden, und zwar lauter Dinge, die sie eigentlich Ulf hätte an den Kopf werfen sollen.

Ich konnte ja nix dafür, dass der nach wie vor nie mit ihr ausging am Wochenende, sondern nur im Garten arbeitete. Ich konnte nix dafür, dass er jeden Sonntag das riesige Haus schrubbte, obwohl eine Reinigungskraft zweimal die Woche kam – es war ihm nur einfach nicht sauber genug. Ich konnte nix dafür, dass Ulf regelmäßig mit seiner Exfrau essen ging und sie ansonsten auch täglich sah, was Monika gewaltig störte. Das waren definitiv nicht meine Baustellen. Aber als gute Freundin hörte ich mir alles an und versuchte, sie zu beschwichtigen.

„Was tust du denn dann am Wochenende, wenn er im Garten arbeitet und das Haus putzt? Du hast doch einen anstrengenden Job?“, fragte ich sie.

„Na, ich helfe mit“, antwortete sie. „Weil ich denke, dann ist er vielleicht schneller fertig und hat ein wenig Zeit für mich.“

Exfrau oder doch nicht?

„Wenn sie meint“, dachte ich mir. Des Menschen Wille ist sein Himmelreich.

„Ich will nicht, dass der unter der Woche mit seiner Exfrau ständig rumhängt“, beklagte sie sich. „Und es ist nicht mal seine Exfrau, die sind nämlich gar nicht geschieden.“
Das wurde ja immer besser.

„Hast du ihm das alles gesagt?“, wollte ich wissen.

„Ich habe es mal angedeutet“, antwortete sie. „Und jetzt verkaufe ich mein Haus und ziehe zu ihm. Da wird die aber Augen machen, die Ex.“

Was Monika damit bezwecken wollte, war mir klar: ihr (neues) Revier markieren. Dafür war sie bereit, alles aufzugeben, an dem sie bisher so gehangen hatte. Ihr Umfeld, ihren ganzen Lebensbereich, ihre Bekannten, ihre Freunde. Nach dem Motto: „Jetzt bin ich da. Kümmere dich um mich.“

Solange er Hahn im Korb ist…

Es folgte eine weitere Viertelstunde, in der ich Einzelheiten über die Nicht-Exfrau erfuhr, die mich nur mäßig interessierten, denn ich kenne sie ja nicht. Ulf übrigens auch nicht. („Wir gehen demnächst gemeinsam essen oder trinken einen Kaffee, Barbara, versprochen“…)

Tja, da war der gute Ulf ja scheinbar der Hahn im Korb. Vielleicht gefiel ihm das sogar ein kleines bisschen? Scheinbar scheute er sich davor, aus welchen Gründen auch immer, klare Verhältnisse zu schaffen.

Ob Moni wohl dazu imstande war, aus diesem Lehmklumpen mit braunen, treuen Augen den Mann zu generieren, den sie sich in Wirklichkeit vorstellte? Ich wagte es zu bezweifeln.

„Bist du eigentlich glücklich?“, fragte ich, als sie eine Pause einlegte, um Luft zu holen und sich zu schneuzen. „Es geht so“, meinte sie lapidar. „Geht so“, gehört bei mir nicht zu den Kriterien, mit denen ich eine gute Beziehung beschreibe, aber Moni ist eine erwachsene Frau, vom brennenden Wunsch beseelt, endlich wieder zu zweit zu sein.

Ein Mann um jeden Preis

Man muss sie ihr Ding durchziehen lassen. Sie würde auf niemanden hören. So gut kenne ich sie.

Ihre einzige Direktive war seit Jahren „Ein Mann muss her“ gewesen. Jetzt hatte sie endlich einen. Mir kam der Preis für das gemeinsame Sitzen auf dem Sofa vor der Glotze etwas hoch vor, aber sie lässt sich ohnehin nicht dreinreden.

Nach ungefähr eineinhalb Stunden hatte ich mir die ganze Misere angehört, Monika getröstet, ihr zwei Ratschläge gegeben, die sie garantiert nicht befolgen würde (weil sie Geld kosteten), und gelegentlich resigniert genickt, was sie aber nicht mitbekam. Sie verabschiedete sich mit den Worten „Danke, dass es dich gibt und dass ich mich bei dir ausheulen kann.“

Seitdem ist wieder Funkstille. Entweder hat sie sich mit den Gegebenheiten, also der Noch-Ehefrau und der ständigen Gartenarbeit, arrangiert, oder sie ist hat mich einfach vergessen, und es läuft gerade mal gut mit dem windschlüpfrigen Ulf.

Mann taucht auf – Freundin unter!

Ich beobachte dieses Verhalten gerade bei Frauen, die nicht gut alleine klarkommen, schon mein ganzes Leben. Sobald ein Mann auf der Bildfläche erscheint, tauchen sie unter, und man hört über Monate nichts mehr von ihnen – bis zum ersten Streit mit ihrem Liebsten. Dann ist man plötzlich wieder gut genug.

Offen gestanden finde ich das ein klein wenig schäbig. Was ist aus der Verabredung zum Essen denn nun geworden, bei der Monika mir Ulf vorstellen wollte? Vermutlich klappt das erst nach dem Gehölzschnitt im Winter, aber da müssen sie dann wahrscheinlich den ganzen Tag Schnee schippen oder einen Iglu bauen.

Ich gönne Monika ihr Glück wirklich von Herzen und habe sie oft getröstet, wenn wieder mal von heute auf morgen ein Mann aus ihrem Leben verschwunden ist, ohne sich zu verabschieden.

Freunde links liegen lassen, sobald FRAU neu liiert ist?

Aber muss man wegen der Beziehung wirklich seine altgedienten Freunde links liegen lassen? Man könnte sie doch wieder mal brauchen. Da sollen sie dann ohne Murren für einen da sein, Tee kochen, Wasser für eine tröstende Wärmflasche aufbrühen und mit ihr auf den gemeinen Typen schimpfen, der ihr das Leben zur Hölle gemacht hat.

Obwohl ich bei Moni eher den Verdacht habe, das schafft sie schon ganz allein.

Leider kann ich mir denken, warum ich von ihr derzeit nichts höre. Sie verkauft vermutlich gerade ihr Haus und ist am Umziehen. Naja, dann hat sie es nicht mehr so weit zum Putzen und Rasenmähen, neben ihrem Job, zu dem sie künftig auch recht weit fahren muss. Was tut man nicht alles für die Liebe oder das, was man dafür hält.

Ich klinge frustriert? Bin ich auch.  Weil es nicht das erste Mal ist, dass ich sowas erlebe. Weil es nicht das erste Mal ist, dass ich stumm geschaltet werde, sobald ein Mann im Leben einer meiner Freundinnen auftaucht. Weil es immer gleich endet. Weil man irgendwann immer zu zweit auf dem Sofa sitzt mit einer Taschentuch-Box und einer Batterie Prosecco.

Ohne Freundinnen fehlt was

Ich habe es nie getan – den Kontakt zu meinen Freundinnen wegen eines Mannes abgebrochen. Ohne meine Freunde hätte mir in jeder Beziehung etwas gefehlt. Sie gehören zu mir, denn sie sind ein Teil meiner Vergangenheit und ein Teil meines jetzigen Lebens.
Alte Freunde vom neuen Leben einfach auszuschließen, kann auch in der Einsamkeit enden, denn einige wenden sich von einem ab und fühlen sich ausgenützt.

„Man trifft jeden im Leben zweimal“, heißt es ja. Und darum bin ich ganz sicher, dass irgendwann wieder mein Handy vibriert, und ich eine voraussichtlich heulende Monika an der Strippe habe. Und wenn ich ihre Nummer sehe plus ihr Profilbild („Rose Nylund“, die naive Blonde von den „Golden Girls“… ), werde ich selbstverständlich rangehen. Obwohl ich eingeschnappt sein könnte und es vielleicht auch ein kleines bisschen bin.

Männer finden sich oft leichter als eine gute Freundin…!

Und wissen Sie was? Wenn dieser Anruf nie erfolgen sollte, umso besser, dann freue ich mich für Monika, dass sie es hinbekommen hat. Heutzutage muss man für jede kleine Chance, noch ein wenig glücklich zu werden, dankbar sein.

Hat vielleicht grade jemand eine Freundin aus erster Hand, gern mit kleinen Lackschäden oder Druckstellen, abzugeben? Ich habe momentan Kapazitäten frei und das vage Gefühl, dass ich leichter einen Mann oder den Topf mit Gold am Ende des Regenbogens fände als einen Ersatz für Monika? Sie fehlt mir.

Bildnachweis (Symbolbild): stock.adobe.com/wrangler

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