Samstag, 27. Juli, 2024

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Jenseits des Schmerzes: Die verborgenen Möglichkeiten im Liebeskummer

Ein Gastartikel zum Thema Liebeskummer von Heike Klopsch (Herzkümmerei): „Es ist aus!“ Drei Worte und auf einmal ist nichts mehr wie es war. Schluss, aus, vorbei! Von nun an bleibt die Tür zum alten Leben verschlossen. Da hilft es auch nicht, wenn Sie an ihr verzweifelt Rütteln. Der Mensch, der Ihnen vielleicht der wichtigste ist, hat sich verabschiedet. Er hat sich entschieden: Gegen das „wir“, gegen das gemeinsame Leben – für etwa, was nichts mehr mit Ihnen zu tun hat. Eine Trennung ist im ersten Moment eine Schocksituation. Der Kopf schwirrt, die Gedanken kreisen, das Leben steht Kopf. Das, was gestern noch galt, hat keinen Bestand mehr. Alles Gewohnte, Vertraute, all das, was Stabilität und Sicherheit gegeben hat, ist von heute auf morgen weg. Das emotionale Ausmaß einer Trennung ist oft sehr groß und überwältigend. Und Ihr Gefühl trügt nicht, denn Verlassenwerden ist tatsächlich „mehr“. Denn nicht nur der Partner ist weg, sondern ein ganzer Lebensentwurf ist gescheitert.   

„Mir tut alles weh!“ Liebeskummer macht Schmerzen 

Oft kommen Menschen mit Trennungsschmerz in meine Praxis und sagen, dass Ihnen alles weh tut. Sie sind stark verunsichert und schämen sich oft. Ob sie sich das nur einbilden würden? Die Antwort lautet „nein“. Sie bilden sich den Schmerz nicht ein. Forscher haben mit Hilfe von Hirnscans herausgefunden, dass Gefühlsverletzungen und körperlicher Schmerz ähnliche Empfindungen erzeugen, weil sie in denselben Hirnregionen verarbeitet werden. Liebeskummer ist also wirklich eine „schmerzhafte“ Erfahrung, bei der emotionale Verletzungen in körperlichen Schmerzen übergehen können. Kopfschmerz, Bauchschmerz, Herzschmerz – der Körper zieht jetzt alle Register. Man kann also im wahrsten Sinne des Wortes krank vor Liebe werden. Zögern Sie nicht, sich in so einer akuten Phase krankschreiben zulassen. Es ist durchaus in Ordnung, sich mal einen Moment zurückzuziehen, um den ersten Schmerz zu überwinden und wieder ein bisschen Klarheit und Ruhe in sein Leben zu bekommen.   

Trennung ist keine Bagatelle, sondern eine Krise  

Viele Getrennt hören schon nach kurzer Zeit: „Reiß dich mal zusammen“, „Das geht vorbei“, Du jammerst nun schon so lange. Langsam müsste es doch mal besser werden“, Früher oder später findest du wieder jemanden“ – das Ausmaß von Liebeskummer wird in unserer auf Perfektion ausgerichteten Gesellschaft oft bagatellisiert und verharmlost. Doch Tatsache ist, Liebeskummer braucht Zeit, oft viel mehr, als wir oder unsere Umgebung uns zugestehen wollen. 

Liebeskummer ist eben nicht nur eine anstrengende Lebensphase, Liebeskummer ist eine Krise. Doch was verbirgt sich hinter dem Begriff Krise? Das Wort Krise stammt aus dem Griechischen. Es bedeutet so viel wie „trennen“ und „(unter)scheiden“. Die Erfahrungen, die wir in einer Lebenskrise machen, teilen unser Leben in ein „Davor“ und „Danach“. Klienten, die Liebeskummer haben, sind am Anfang oft desorientiert, sie sind sozusagen zwischen diesen beiden Zuständen, nicht mehr im alten Zustand, aber auch noch nicht im neuen angekommen.

Wichtig ist, sich in dunklen Stunden immer wieder bewusst zu machen, dass es ein „Danach“ geben wird – ganz sicher. Nur wann das ist und wie lange der Kummer dauert, das kann einem keiner wirklich beantworten. Die Verarbeitung einer Trennung ist ein sehr individueller Heilungsprozess, der bei jedem anders verläuft. 

Alles ergibt (am Ende) einen Sinn

Der banale Satz: „Es wird schon alles irgendwie Sinn machen“, kann jetzt zu einem hilfreichen Mantra werden. Auch wenn es momentan schwer zu verstehen ist: Eine Krise bietet die Chance auf einen Neubeginn. Sehr schön zeigt das das chinesische Schriftzeichen für Krise. Es besteht aus zwei Teilen: Der eine Teil symbolisiert die Gefahr, der andere die Chance. Und auch, wenn es nur schwer vorstellbar ist. Sie haben eine Wahl, Sie können sich entscheiden!

In dem Moment, wo wir uns für die Akzeptanz der Krise aktiv entscheiden, gewinnen wir unsere Handlungsfähigkeit zurück. Machen Sie sich klar: Ja, ich bin verlassen worden und ja, es tut verdammt weh. Und ich muss jetzt damit leben, dass mein Partner eine Entscheidung gegen mich und unsere Beziehung getroffen hat. Und ja, ich weiß gerade nicht, wie es weiter gehen kann. Gestehen Sie sich zu, dass Sie sich gerade hilflos und verwundet fühlen. Durch die bewusste Entscheidung, den Kummer anzunehmen, können Sie Schritt für Schritt aus der Krise herausgehen.

Konzentrieren Sie sich jetzt bewusst auf Ihre Möglichkeiten, nicht auf die Hindernisse. Die Akzeptanz Ihrer schwierigen Lebenssituation ist die Voraussetzung dafür, dass sich der Blick wieder weiten kann. So gewinnen Sie langsam Ihre Handlungsfähigkeit zurück.

Verändern Sie Ihren Fokus, probieren Sie Neues

Versuchen Sie bewusst, den Blick von der negativen Seite der Krise weg zu lenken und sehen Sie das Verlassenwerden durch Ihren Partner vor allem nicht nur als persönliches Scheitern. Schau Sie bewusst nach vorne – in Richtung Zukunft – und gehen Sie in diesen Prozess der Wandlung. Umfokussieren ist jetzt das Zauberwort. Versuchen Sie Dinge zu tun, die Sie noch nie getan haben. Probieren Sie etwas Neues. Lernen Sie eine Sprache oder suchen Sie sich ein Hobby. Helfen Sie anderen Menschen, denen es nicht gut geht. Ein Ehrenamt kann im Moment eine sehr hilfreiche Sache sein. Machen Sie etwas, was Sie schon immer tun wollten. Alles, was Sie ablenkt, führt weg vom Schmerz, wenn auch anfangs nur für Momente. Machen Sie sich bewusst, Sie sind niemandem mehr eine Erklärung schuldig, nur sich selbst. In dieser Erkenntnis schwingt auch der Gedanke der Freiheit mit, oder?

Es gibt Licht am Ende des Tunnels

Die Verarbeitung eines Liebeskummers kann zu einer Persönlichkeitsentwicklung führen, wenn man bereit ist, ihn aktiv zu bearbeiten. Kaum ein anderer Schmerz konfrontiert uns so sehr mit uns selbst, mit unseren Grenzen, aber auch mit neuen Möglichkeiten und Chancen. Wenn Sie es schaffen, sich dieser Unerbittlichkeit zu stellen, können Sie am Ende einen sogenannten „posttraumatischen Reifeprozess“ erleben. Viele Menschen machen die positive Erfahrung, dass die Arbeit mit dem Kummer am Ende doch zu etwa geführt hat. Irgendwann spüren Sie wieder, dass etwas Neues kommt und dass sie nun besser aufgestellt sind als vorher.        

Die Autorin:

Heike KlopschHeike Klopsch betreibt seit mehreren Jahren erfolgreich die Coachingpraxis Herzkümmerei in Hamburg. Ihre Schwerpunktthemen sind Liebeskummer und Trennung. Der Schwerpunkt ihrer Coachings und Beratungen liegt auf den Themen Bindung, Bindungsstile und Selbstwert. Die Persönlichkeitsentwicklung Ihrer Klientinnen ist ihr dabei ein besonderes Anliegen. Klopsch schreibt regelmäßig für verschiedene Medien; sie hat einen Blog und einen viel beachteten Podcast.  

www.herzkuemmerei.de   

Mehr zum Thema Liebeskummer finden Sie im Magazin unter anderem hier.

Bildnachweis / Copyright:

Heiderose Kay

Tomas Williams

 

 

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