Einen geliebten Menschen für immer verlieren: Das ist für fast alle Menschen dieser Erde ein dramatisches Ereignis, häufig ein Schock. Erfährt man vom Tod eines Angehörigen, bleibt für viele Betroffene die Welt erst einmal stehen, nichts geht mehr. Oftmals überrollt die Trauer die Hinterbliebenen mit einer emotionalen Wucht, die man sich zuvor kaum vorstellen konnte. Dabei gibt es in Sachen “Konfrontation mit dem Tod” verschiedene emotionale Situationen. Jemand, der eine betagte/schwer kranke Mutter oder Oma auf dem letzten Weg begleitet und sich schon viele Monate vorher mit der Tatsache, dass der Tod sehr bald einsetzen wird, auseinandergesetzt hat, wird vom Ableben anders betroffen sein als jemand, dessen Angehöriger plötzlich bei einem Unfall ums Leben kommt. Das mögen verschiedene Situationen sein – “einstufen” in “mehr” oder “weniger” Trauer kann man solche emotionalen Extrem-Ereignisse freilich nicht. Jeder trauert anderes, jeder lässt auf seine Weise los. Wenn er es denn kann. Vielleicht setzt er ja auch auf KI.
KI als Trauerbegleitung: Okay oder absolutes NO GO?
Denn die rasende Entwicklung in Sachen IT und Digitalem macht seit der Erfindung der Künstlichen Intelligenz – kurz KI genannt – unglaubliche Fortschritte. Längst steht diese Technik nicht mehr nur für das Aufsetzen von Texten, Bewerbungen und E-Mail-Korrespondenzen. Im Gegenteil: Es dürfte kaum einen Bereich im Alltag geben, in dem nicht zukünftig auch KI zum Zug kommen kann. Alexa lässt grüßen…!
Doch während Alexa mit Lifestyle, Freizeit und Konsumieren asoziiert wird, steht die Technik hinter dem Tool auch für einschneidende und traurige Momente im Leben bereit. Eine aktuelle Reportage der ZDF-Reihe “37 Grad” führt das auf anschauliche Weise vor und stösst damit eine heftige Debatte im Netz an. Die Rede ist von der KI als Begleitung und Unterstützung im Trauerfall. In der besagten Reportage geht es um Frauen, die ein liebes Familienmitglied verloren haben und unsagbar trauern. So wird eine Mutter porträtiert, die ihre 17jährige Tochter durch eine Suizid verloren hat und eine weitere Mama, die unsagbar um ihren Vater trauert. Beide eint – das zeigt die Doku ganz klar – der Wunsch, den Trauerprozess mittels KI begleiten zu lassen.
Digitaler Trauerprozess als Trost
Bei der Mutter des verstorbenen Teenie-Mädchens sieht das so aus, dass sie von der KI eine Art “Avatar” / digitales Abbild ihrer Tochter erstellen lässt. Damit erreichen sie Nachrichten, die wirken, als kommen sie von ihrem verstorbenen Kind. Die andere Mutter wiederum, eine alleinerziehende Frau, fühlt sich durch die Trauer um ihren Vater ermutigt, ein digitales Abbild von sich zu schaffen und dieses schon jetzt für ihre Tochter für die Zeit nach ihrem Tod gestalten zu lassen. So möchte sie ihrem Kind den Trauerprozess eines fernen Tages erleichtern.
Beide Frauen nutzen also diese neue Technik, um mit ihrer Trauer umzugehen, die Emotionen zu durchleben und Trost zu bekommen. Das Redaktionsteam der Sendung stellte auf seiner Instagram-Seite dieses Thema seinen Usern unter der Headline: “Trauern mit KI – nur Hype oder unsere Zukunft?” vor. Darauf erfolgte eine hochemotionale, sehr heftige Debatte. Der Tenor bei vielen Usern lautet: “gruselig”.
So schreibt beispielsweise Userin “audreynight527”:
“Ich bin verwaiste Mama und ausgebildete Trauerbegleiterin, ich finde die Vorstellung echt gruselig.(…)”
Und “alexandra.k0212” kommentiert:
“Ich finde das unheimlich. KI kann doch nicht die echte Nähe und Verbindung zu einem Menschen ersetzen?(…)”
christine_sambale meint:
“Es gibt sehr gute Gründe, warum wir vergessen und abschliessen müssen.”
Auch viele weitere Kommentare sind in diesem Tenor abgefasst. Von “mich schauderts” bis “Wahnsinn” und “unvorstellbar”. Angetan von dieser neuen Art, mit Trauer umzugehen sind im Zusammenhang mit dem Post zur erwähnten Sendung nur wenige.
Noch ist das positive Echo sehr verhalten
Doch es gibt auch verhalten positive Stimmen dazu. So zum Beispiel von Userin “katharinaesser_”.
Sie schreibt unter anderem dazu:
“Ich bin Trauerbegleiterin und finde das ein super spannendes Thema. Ich glaube KI und Technik insgesamt wird unsere Art zu trauern und zu erinnern verändern.(…)”
Nun – inwiefern man sich mit dieser KI-Technik in Sachen Trauer anfreunden kann, das muss jeder für sich selbst entscheiden. Wie bei allen Neuerungen gibt es ein Für und ein Wider.
Heikel, weil Emotionen reinspielen…
Das Wider dürfte hier jedoch ungleich stärker ausgeprägt sein, als bei anderen Themen, wo KI mit reinspielt. Denn es ist nunmal ein himmelweiter Unterschied, ob KI in einem Fahrzeug oder einer Maschine eingesetzt wird oder mit ihrer neuen Innovation die digitale Identität Verstorbener annimmt. In Sachen Emotionen und Gefühle ist die Sache mit der KI und der Trauer tatsächlich (noch) sehr befremdlich.
Ob sich das ändert, wird die Zeit zeigen.
Mehr zum Thema finden Sie hier.
Quelle: instagram-Account von “ZDF 37 Grad” vom 23. September 2024
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