Samstag, 27. Juli, 2024

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Blind Dates? Nur mit Brille! – Kolumne von Barbara Edelmann

Wissen Sie noch, wie im analogen Zeitalter (vor dem Internet) ein sogenannte „Blind Date“ eingefädelt wurde?

„Mein Mann hat einen Kollegen, den Günter, der ist nett und würde super zu dir passen. Lass uns nächste Woche mal zum Essen gehen, dann könnt ihr euch kennenlernen. Dich bringen wir auch noch unter die Haube.“

Pech, wenn dieser Günter sich dann als überkandidelter, unterbelichteter Depp entpuppte, mit dem Sie nix anfangen konnten. Dafür hatten Sie ab sofort Ärger mit Ihren Freunden: Weil Sie so wählerisch waren und Günter verschmäht hatten, wurden Sie von denen künftig geschnitten.

Die zweite Möglichkeit boten die allseits beliebten „Hallo Partner“-Seiten im örtlichen Käseblatt. „Attraktive Dame um die 60 sucht solventen Herrn in mittleren Jahren fürs Wandern und eventuell mehr. Bitte nur aussagekräftige Anschreiben mit Foto“ hieß es meistens.

Auch da konnte man üble Überraschungen erleben, weil 1. die wenigsten ein Bild mitschickten (Scanner waren noch  nicht erfunden) und 2. auch schon damals bei den Herren der Schöpfung eine grandiose Selbstüberschätzung grassierte.

Ich kenne bis zum heutigen Tage so gut wie keinen Mann, der sich für unattraktiv hält. Beneidenswert.

Dann kam das Internet.

Erst unterhielt man sich im AOL-Chat, wo man sich ein aussagekräftiges Profil zulegte wie zum Beispiel: „Uschi, 36 Jahre alt, 56 Kilo, blond, schlank, verdiene saugut“ und damit auf Männerfang gehen konnte.

Wenn Uschi dann „Herbert, 37 Jahre alt, 78 Kilo, dunkelhaarig, schlank, verdiene noch viel mehr und bin ein klasse Typ“, im echten Leben nach monatelangen Chats, Emails oder Telefonaten kennenlernte, folgte oft die Enttäuschung auf dem Fuße, denn Uschi war weder blond noch schlank und schon lange nicht mehr 36. Das galt aber auch für Herbert, der bei „37 Jahre alt“ kräftig nach unten abgerundet und beim Verdienst und seiner „Nettigkeit“ aufgerundet hatte.

Da saßen sich dann manchmal in Autobahnraststätten zwei wildfremde Menschen ohne Gesprächsstoff gegenüber und wunderten sich, wie sie reingelegt worden waren. Lange ist es her.

Nach dem AOL-Chat folgen die sogenannten „Social Networks“ und Dating-Plattformen. Endlich konnte man sich angemessen und ausgiebig präsentieren. Zwar wurde genauso kräftig über- und untertrieben wie zuvor, aber man hatte mehr Auswahl und konnte schon vorab dank Google ein paar Erkundigungen über den potenziellen Kandidaten einholen.

Ach, hätte nur meine Freundin Beatrix 1987 schon Google gehabt. Sie lernte in einer Kneipe einen (erst nach dem 3. Glas Wein) attraktiven Offizier der amerikanischen Air Force kennen, der in Uniform am Tresen saß und sie mit seinen Glubschaugen förmlich verschlang. Er erzählte Beate, er sei Jet-Pilot, nutzte sie und ihre Ambitionen, eines Tages Offizierswitwe zu werden, ein paar Wochen lang weidlich aus – und entpuppte sich anschließend als Hausmeister der Berufsschule in der Nachbarstadt.

Wirklich wahr.

Beate wäre mit Google oder Facebook seinerzeit viel erspart geblieben.

Ja, wir hatten leider kein Internet, nur Buschtrommeln, besorgte Freunde, neugierige Nachbarinnen und Hörensagen. Das half aber nicht viel.

Jetzt gibt es aber dank der digitalen Revolution endlich für jeden Geschmack etwas. Senioren-Dating-Portale, Partnerbörsen, und… Tinder, eine Dating-App, die immerhin allein in Deutschland von über 2 Millionen Personen genutzt wird.

Es ist, wenn man es genau nimmt, ein moralischer Rückschritt, da allein Ihr Profilbild entscheidet, ob jemand sich für Sie interessiert oder nicht. Weil aber nicht jeder so schön ist wie Jennifer Lopez, wird man quasi zum Schummeln gezwungen.

Alles, was Sie tun müssen ist, sich die App zu besorgen, Ihren Vornamen einzugeben, ein möglichst vorteilhaftes Foto von sich hochzuladen und Ihre Präferenzen einzugeben („stehe auf Männer/Frauen/mir doch egal“). Dann definieren Sie noch den Suchradius, innerhalb dessen Sie jemanden kennenzulernen gedenken. Und fertig ist die Laube.

Nach und nach stellt Ihnen Tinder nun Personen vor, die Ihren Vorlieben entsprechen könnten und sich in dem zuvor genannten Suchradius aufhalten. Sie entscheiden, ob Sie an einem Chat interessiert sind oder nicht, indem Sie ein sogenanntes „like“ vergeben. Erhalten Sie von dem potenziellen Chatpartner ebenfalls ein „like“, können Sie loslegen. Bei Nicht-Interesse signalisieren Sie durch ein rotes Kreuz („nope“ genannt), dass Sie keine Lust auf die Person haben.

So weit, so gut. Nie war es einfacher, jemanden kennenzulernen. Und nie schwieriger. Denn der attraktive blonde Hipster mit den grünen Augen und dem gewinnenden Lächeln könnte in Wirklichkeit auch ein mittelalter Bauch-Bart-und Brille-Träger sein, der einfach mal rausfinden wollte, ob es atemberaubende Frauen wie Sie überhaupt noch gibt, und Sie, wenn Sie viel Glück haben, zu einer Tüte Fritten mit anschließendem Beischlaf einlädt. Sie können ja dann immer noch „nope“ sagen.

Umgekehrt herum wird übrigens auch ein Schuh draus. Die lächelnde Brünette mit Schmollmund muss nicht brünett sein oder einen Schmollmund haben. Sie muss nicht mal eine Frau sein. Betrogen wird überall.

Rechnen Sie einfach sicherheitshalber mit allem. Das ist auf jeden Fall besser. Die Welt ist nämlich schlecht, so richtig schlecht.

Seitdem das Internet vor knapp 20 Jahren in unsere Haushalte eingezogen ist, wird gelogen, dass die Schwarte kracht. Oder verschwiegen. Im Internet kann jeder sein, was er möchte und wie er möchte.

Ich kenne bei Facebook genügend sehr attraktive Frauen um die 50, deren Gesichtszüge vor lauter Filtern und Weichzeichnern mittlerweile beinahe nicht mehr zu erkennen sind.

Eine Dame tut sich da jedes Mal besonders hervor. Alle ihre Fotos wirken, als hätte jemand Schmierseife auf das Objektiv gerieben. Aber neulich ist ihr scheinbar der Finger ausgerutscht, und sie hat ein Bild gepostet, auf dem sie genau so aussieht wie im echten Leben. Meiner Meinung nach ist sie auf diesem Portrait um Längen schöner auf als auf ihren sonstigen Machwerken mit Herzchen-Rahmen und Schmetterlingen, bei deren Betrachtung man sich die Augen reibt, weil man denkt, es sei einem eine Wimper reingerutscht.

Martin (Name geändert), ein Freund von mir aus Villingen-Schwenningen hat so eine Internet-Geschichte erlebt und ein Blind-Date absolviert. Meine Mutter meint übrigens immer noch, das sei eine Kennenlern-Veranstaltung für Sehbehinderte. Ich lasse sie in dem Glauben.

Zurück zu Martin. Frisch geschieden, kreuzunglücklich und einsam, suchte er verzweifelt bei Facebook nach einer Frau. Ich kenne Martin persönlich, einen attraktiven Mann Mitte 40, der auf seine Gesundheit achtet, viel Sport betreibt und weder raucht noch trinkt.

Seine Hoffnung war, ein weibliches Wesen kennenzulernen, mit der er seine Hobbies ausleben und seinem natürlichen Bewegungsdrang nachgeben konnte. Gemeinsam.

Seine Exfrau hatte sich zwar auch viel bewegt, aber nur unter dem Trauzeugen, wo Martin die beiden eines Tages dann fand. Im Wochenendhäuschen seiner Oma.

Endlich lernte Martin bei Facebook Brigitte kennen, eine hübsche Dunkelhaarige aus Essen. In den ersten Tagen likten sie gegenseitig ihre Beiträge mit Herzchen, dann schrieben sie sich über Whats App, später telefonierten sie viele Stunden und loteten ihre Seelen aus. Endlich beschlossen sie, sich mal im echten Leben zu treffen.

Brigitte hatte massenhaft bezaubernde Brustbilder (Portrait-Aufnahmen) von sich bei Facebook eingestellt. Außerdem war sie genau so sportlich wie Martin, zudem noch Vegetarierin, hasste Zigaretten und Alkohol und liebte Bergsteigen und Wandern.

Also machte sich Martin auf den Weg und fuhr die ganzen 523 Kilometer zu Brigitte nach Essen im Ruhrgebiet in einem Rutsch. Sie hatte ihn zum romantischen Dinner (vegetarisch) eingeladen. Voller Vorfreude sprang er mehr, als er lief, die drei Stockwerke zu Brigittes Wohnung hoch, in der Hand einen riesigen Strauß Rosen, und klingelte. Sein Herz schlug bis zum Hals.

Das sollte auch so bleiben, denn die Tür wurde ihm von der voluminösesten Dame geöffnet, die er je gesehen hatte. Sie lächelte ihn strahlend an und winkte ihm, einzutreten.

„Entschuldigung, mir fällt grade ein, ich hab noch ein Geschenk für dich im Kofferraum“ murmelte Martin mit hochrotem Kopf, stürmte die drei Stockwerke in Lichtgeschwindigkeit nach unten, sprang in sein Auto und fuhr nach Hause.

Einige Tage später klagte er mir sein Leid. Brigitte hatte angeblich behauptet, sie sei regelmäßig im Fitness-Studio und würde Nordic Walking lieben. Tja, ich persönlich liebe zum Beispiel Ölbilder, kann sie aber nicht malen.

Vielleicht mochte Brigitte Nordic Walking sogar wirklich, weil sie die Stöcke so hübsch fand, aber sie hatte Martin am Telefon unter anderem erzählt, sie hätte einen BMI von 21 und einen IQ von 119. Vermutlich hatte sie nur die Zahlen verwechselt. Er jedenfalls war kuriert von seinem ersten und einzigen Blind-Date und heiratete zwei Jahre später eine sehr nette Frau, die bei ihm um die Ecke wohnte, und die er beim Bäcker kennengelernt hatte.

Bei einem Blind-Date wissen Sie nie, was Sie kriegen. So ein Profilbild, in dem ich aussehe wie Ende 20, schustere ich Ihnen mit einer guten Bildbearbeitungs-Software und ein wenig Phantasie in ein paar Minuten zusammen.

Also hat das Wort „blind“ seine Bedeutung behalten. Nach all den Jahrzehnten ist nichts wirklich besser geworden. Enttäuschung vorprogrammiert. Meistens. Aber es soll Fälle geben, wo sich Leute auf solche Verabredungen eingelassen und die Liebe fürs Leben gefunden haben. Das möchte ich nicht in Abrede stellen.

Darum dachte ich mir neulich: Warum nicht mal ganz ehrlich sein in all den Dating-Portalen bei seinen Selbst-Beschreibungen? Man könnte sich so verdammt viel Ärger ersparen.

Ich zum Beispiel sehe, wenn ich in aller Herrgottsfrühe aus dem Bett komme, aus, als wäre ich nach 8 Runden mit Mike Tyson auf die Bretter gegangen.

Vor 30 Jahren sagte mal einer aus unserer Clique nach einem Lagerfeuer-Abend am nächsten Tag, als wir alle zerknittert aus unseren Zelten krochen: „Barbara, wenn alle Frauen morgens so aussehen wie du, heirate ich nie.“

Der Rüdiger ist übrigens noch ledig und zu haben, meine Damen.

Also – warum nicht ehrlich sein? Zugeben, wer und was man ist?

„Ja, aber“ werden Sie einwenden, „Männer sind nun mal Augentiere und können besser gucken als denken.“ Das mag schon sein. Sie sollen ja auch kein Profilbild einstellen, auf dem Sie aussehen wie durch die Mangel gedreht, oder als kämen Sie gerade von der Rallye Paris-Dakar zurück.

Ein wenig vorteilhaft darf es schon sein. Aber wenn Sie von sich behaupten, Sie backen und kochen gern, sollten Sie wenigstens einen Braten oder einen Käsekuchen zustande bringen. Wenn Sie von sich behaupten, tierlieb zu sein, in Wirklichkeit aber sogar bei 2 Kilometer entfernten Katzenhaaren anfangen zu niesen, kann es nur von Vorteil sein, die Wahrheit zu sagen, sonst endet Ihr erstes Date in der örtlichen Ambulanz.

Auch so einen Fall kenne ich persönlich. Petra, gestraft mit einer schweren Katzenhaar-Allergie, verbrachte ihre erste und einzige Nacht mit Patrick in dessen Bett mit seinen drei Stubentigern, die sie zuvor noch gestreichelt hatte, weil sie unbedingt diesem Mann gefallen wollte. Anschließend landete sie in der Notaufnahme, weil sie keine Luft mehr bekam. Es ist erstaunlich, wie weit Frauen gehen, wenn sie jemanden für sich gewinnen wollen.

Selbstverständlich ist es vollkommen normal, dass man sich so positiv wie möglich darstellen möchte. Aber es kommt doch immer raus, wenn man lügt. Wie bei meiner Freundin Martha, die ständig in Singlebörsen unterwegs ist und sich da gute 10 Jahre jünger schummelt.

„Ich sehe nicht so alt aus, wie ich bin!“ schimpft sie, wenn ich sie darauf anspreche. „Und ich benehme mich auch nicht so. Da lerne ich doch sonst nur Typen in meinem Alter kennen, die sind mir zu langweilig.“

Sie hat noch kein einziges Mal einen Kandidaten zweimal getroffen. Die  melden sich einfach nicht mehr. Niemand mag Lügen wirklich gern, außer es handelt sich um raffinierte Komplimente.

Und: Martha sieht nicht wirklich 10 Jahre jünger aus. Es getraut sich nur keiner, es ihr zu sagen.

Darum habe ich mir jetzt die Mühe gemacht, mal eine Selbstbeschreibung zu entwerfen, und zwar vor meinem „Wahrheitsfilter“ und danach. Bitte, bitte, nehmen Sie mich nicht ernst:

Beschreibung: „Hallo, ich bin Susi und 32 Jahre alt. Leider ist das Foto nicht so doll geworden, mein Handy spinnt grade.“

Klartext: „Hallo, ich bin die Susi und 32 Jahre alt, sehe aber aus wie 48 und habe eine Haut wie ein Putzlappen, weil ich in den letzten Jahren keine Nacht mehr als vier Stunden geschlafen und täglich drei Schachteln Kippen geraucht habe. Wie mein Bett ausschaut, weiß ich gar nicht mehr, weil ich nie drin liege. Das Handy spinnt also nicht. Leider.“

Beschreibung: „Ich bin manchmal recht häuslich und habe es gern gemütlich, gehe aber auch gern aus und interessiere mich für Kultur. Außerdem bin ich ein lebenslustiger Mensch.“

Klartext: „Ich bin eine versoffene Nachteule, mache wahnsinnig gern Party bis zum Morgengrauen, aber nicht so gern sauber, das finde ich total spießig. Wäre cool, wenn du das übernehmen würdest. Hast du vielleicht einen Putzfimmel und bist so ein Typ, der mehrmals wöchentlich hinterm Sofa saugt? Fände ich gut. Mit ‚gemütlich’ meine ich, dass ich überall Plüschtiere und Teelichter aufgebaut habe, die ich abwechselnd versehentlich anzünde. Wenn du bei der Feuerwehr wärst, könnte das von Vorteil sein.“

Beschreibung: „Ich bin kontaktfreudig, aufgeschlossen und gesellig. Was ich nicht leiden kann: Eifersucht und Klammern. Bin aber sehr anhänglich, wenn ich jemanden wirklich mag.“

Klartext: „Ich hab alle meine Exfreunde der letzten 15 Jahre noch auf Kurzwahl und treffe die auch regelmäßig, also solltest du ein toleranter Typ sein. Aber wehe, eine Ehemalige von dir taucht auf, der schnitze ich erst mal ein neues Muster in ihre Autotür. Und mit ‚anhänglich’ meine ich, dass der israelische Geheimdienst ein Dreck gegen mich ist, wenn ich mal glaube, dass du mich betrügst.“

Beschreibung: „Ich bin selbständig und unabhängig, mag Kavaliere alter Schule und stehe auf gute Manieren. Außerdem bevorzuge ich großzügige Männer, weil ich selbst ein total hilfsbereiter Typ bin, der gerne was verschenkt.“

Klartext: „Ich bin so selbständig, dass ich grundsätzlich mein eigenes Ding durchziehe. Kannst ja auf mich warten, wenn ich mal wieder eine Verabredung vergesse, wegen der guten Manieren, die ich einfordere. Im Klartext heißt das: Widersprich mir niemals und halte mir gefälligst immer die Autotür auf. Deine Autotür natürlich. Du hast doch nix dagegen, dass ich den mal fahre? Mein Wagen ist nämlich momentan in der Reparatur.

Und wenn ich drei Tage vor dem Ersten eine nette Handtasche im Gegenwert eines Kleinwagens sehe, dann kaufst du mir die, nur dass das klar ist.

Ich bin wirklich total großzügig, aber nur mit meinem Körper, wirst du schon noch merken. Es sei denn, du schenkst mir diese Handtasche nicht.“

Beschreibung: „Ich bin sportlich wegen der Work-Life-Balance, habe viel übrig für Rohkost und esse vegetarisch. Außerdem bin ich ein sehr spiritueller Mensch.“

Klartext: „Ich esse hauptsächlich Salat, weil ich nicht kochen kann und nehme mir meistens ein paar Portionen vom Supermarkt mit. Aber Braten mag ich, vielleicht kochst du ja künftig für uns. Zahlen musst du das aber selber, Fleisch kostet ja ein Vermögen. Und wenn du nach Hause kommst und ich grad meinen Hexenzirkel zu Besuch habe, dann mach uns ein paar Schnittchen und zieh keine Fleppe. Sonst verhexen wir dich. Und das meine ich nicht positiv.

Mit ‚sportlich’ will ich ausdrücken, dass ich mich wahnsinnig gern mal im Trainingsanzug zu ‚Starbucks’ setze und da total erledigt dreinschaue. Ist schon Action genug, mich in das enge Teil zu zwängen, aber ich sehe rattenscharf darin aus, womit wir wieder bei meiner Interpretation von ‚großzügig’ wären.“

Beschreibung: „Ich bin emanzipiert und suche einen sensiblen Mann mit viel Verständnis für ein gemeinsames Leben zu zweit, weil ich mir nix Schöneres vorstellen kann als eine Familie und Kinder.“

Klartext: „Mit ‚sensibel’ meine ich, dass du, wenn ich dich anbrülle, zu heulen anfängst und mir alles gibst, was ich will, weil ich dich sonst verlasse. Außerdem kochst du mir gefälligst Kamillentee bei PMS („Post-Mastercard-Syndrom“) und massierst mir täglich zweimal die Füße.

Eine Familie will ich, aber eine eigene selbstgemachte, nicht deine bucklige Verwandtschaft. Kannst du dir in die Haare schmieren, dass ich zu euren Feiern mitkomme.

Und wenn mir unsere zukünftigen Kinder die Figur ruinieren, dann werde ich dich das büßen lassen bis an dein Lebensende.  Du wirst aus der Hausarbeit nicht mehr rauskommen, weil ich nämlich dann trainieren muss.“

Gut, ich habe jetzt ganz böse übertrieben. Niemand von uns ist wirklich so gemein und abgebrüht wie die Dame, deren Sätze ich weiter oben in „Klartext“ übersetzt habe. Es stimmt immer nur ein bisschen was. Und so ist es auch bei den Männern, die uns Bilder schicken, auf denen sie verwegen vom Motorrad grinsen oder sich über eine Schlucht hangeln, am Fallschirm hängen oder uns zuprosten. Wie zum Beispiel der hier:

Beschreibung: „Hallo, ich bin der Fredi, ein Unternehmer. Das Bild von mir (halblange Haare, blitzende blaue Augen, Lederkluft, AC/DC-Shirt) ist schon ein bisschen älter, das hat mir ein Kumpel eingescannt, der Bernd. Den wirst du  noch kennenlernen, der ist nett. Ich bin ein recht geselliger Mensch, mag Party und Hunde. Ich bin selbständig und tierlieb. Ich mag Lagerfeuer, gute Filme und auch Kino. Koche wahnsinnig gern und habe unglaublich viel Phantasie.“

Männer machen nicht viel Worte, wissen Sie.

Klartext: „Hallo, ich bin der Fredi. Hab grad kein besseres Foto zur Hand, weil ich neulich mein Handy verkaufen musste, um an die nächsten paar Kisten Bier und Tabak zu kommen. Wenn du ne coole Frau bist, die ein bisschen Dreck nicht stört und vielleicht auch noch anständig verdienst, könnte aus uns beiden was werden, obwohl ich  mich seit fast 50 Jahren vor einer festen Beziehung drücke. Vorausgesetzt, du gehst mit meinen Hunden raus, weil ich dazu entweder zu faul oder zu besoffen bin. Manchmal auch bekifft.

Der Bernd, mein Kumpel, und ich haben gemeinsam ein Gewerbe angemeldet, irgendwas mit Autoteilen, da sollten wir jetzt mal dringend was arbeiten, ehe uns das Finanzamt aufs Dach steigt. Lagerfeuer machen wir jeden Abend, weil wir kein Geld für Heizöl mehr haben. Nächstes Jahr vielleicht wieder. Frierst du leicht?

Sag mal, hast du vielleicht ein eigenes Haus, eventuell sogar mit einer Garage und einer Grube? Garten wäre auch geil, wegen der Lagerfeuer.

Hoffe, du magst Würstchen, was anderes gibt’s bei uns nämlich nicht. Die kann ich aber gut.

Unsere Dusche ist grad verstopft, darum wirken meine Haare etwas fettig, aber ehe wir uns treffen, schaue ich bei meiner Mama vorbei, versprochen. Und mit ‚gute Filme’, die ich mag, meine ich den Pornokanal, aber das wirst du schon selber noch merken. Hoffe, du bist nicht so spießig und verklemmt. Dann wirst du merken, dass ich echt viel Phantasie habe, weil ich ein Geschenk Gottes an die Frauen bin.“

Ok, ich habe wieder granatenmäßig übertrieben. Aber teilweise ist Ähnliches Freundinnen von mir schon passiert. Gottseidank nicht alles auf einmal.

Logisch, dass niemand auf seine Profilseite schreiben würde: „Ich bin ein narzisstischer Psychopath, der gerne Frauen schikaniert und suche eine devote Sie, der es nichts ausmacht, dreimal täglich mein Haus zu putzen, nachdem sie mich bedient hat.“ Obwohl ich sicher bin, auch dafür fände sich jemand.

Das Problem ist doch folgendes: Es kommt zu 99 % raus, wenn man lügt. Und niemand hat es nötig, sich eine Beziehung durch Schwindeln zu ergaunern. Jeder Mensch ist einzigartig, und meine Oma sagte ständig: „Für jeden Topf findet sich ein Deckel.“

Lassen wir doch ein wenig mehr Ehrlichkeit walten, um uns und anderen unliebsame Überraschungen zu ersparen. Seien wir, wie wir wirklich sind, mit all unseren Fehlern und Mängeln, nicht wie meine Freundin Susi, die behauptet:

„Ich hab keine Geheimnisse, das ist nur unveröffentlichtes Bonusmaterial.“

Irgendwann kriechen wir ohnehin ungeschminkt aus dem Bett. Oder haben versehentlich zu viele blähende Hülsenfrüchte gegessen, die uns den romantischen Videoabend nachhaltig versauen. Irgendwann klemmt das Konto kurz vor dem Ersten, werden wir vielleicht krank, oder rasten vor Eifersucht aus.

Irgendwann naht die Stunde der Wahrheit. Die sich übrigens bis ins Unendliche ausdehnen kann, wenn man aufgeflogen ist.

Veröffentlichen Sie darum vorab ein wenig von Ihrem Bonusmaterial. Nicht allzu viel. Aber genügend, um sich hinterher nicht vorwerfen lassen zu müssen, Sie hätten sich als jemand dargestellt, der/die Sie nicht sind.

Ich bin nämlich ganz sicher, das haben Sie nicht nötig.

Darum wünsche ich Ihnen heute, breit schmunzelnd, eine schöne Woche!

Ihre

Barbara Edelmann

Bildnachweis: pexels.com

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