Samstag, 27. Juli, 2024

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Kolumne Barbara Edelmann: Ich kann’s einfach nicht! – Eine wahre Geschichte

Liebe Leserin, sind Sie eine dieser Frauen, die unglaublich kreativ ist, alles selbst näht, beim Backen wahre Kunstwerke zustande bringt und die Wohnung mit Selbstgemachtem verschönert?

Dann ist Ihnen mein Neid sicher.

Ich möchte das so gerne auch. Gäbe es für meine Anstrengungen in den letzten 20 Jahren ein Zeugnis, würde darin stehen: „Sie hat sich bemüht.“

So eine wollte ich mein ganzes Leben lang sein. Jemand, der Lampen aus einem Stück Blumendraht und einem Knäuel Wolle bastelt,  jemand, der sich Kleider und Blusen näht, jemand, dessen Weihnachtsplätzchen aussehen wie kleine Meisterwerke, jemand, der Girlanden aus Seidenpapier faltet, jemand, der originelle Glückwunschkarten zaubert oder schicke Pullover strickt.

Stattdessen muss ich immer noch bei der Frage nach einem Hobby verlegen stottern: „äääh… Netflix“.

Ich bin musikalisch und spiele seit meinem 5. Lebensjahr ein Instrument, schreibe Bücher, und auch beim Produzieren eines Tischgestecks aus Krempel, den ich im Wald gefunden habe (einschließlich Ameisen und Käfer…), stelle ich mich geschickt an. Auf meiner Festplatte lagern tausende ästhetischer Landschafts- und Portrait-Aufnahmen, den ich habe ein Auge für Schönheit. Aber das war’s dann auch schon.

Sie haben keine Ahnung, wie gerne ich mich als freiwillige Tortenbäckerin für den nächsten Kuchenbasar in unserem Ort melden würde. Aber was ich nach einem Tag Schweiß, Backpulver und Tränen produziere, können Sie höchstens in den Kühlschrank stellen und dann zerbröselt in Ihr Frühstücksmüsli rühren.

Kunstvoll verzierte Sahnerollen, winzige Finger-Food-Häppchen, appetitlich angerichtete Salate – all das bleibt mir für immer verwehrt.

Neulich kochte ich Nudeln nach einem Rezept aus dem bayerischen Kochbuch. Sie heißen „Bauchstupferle“ und sollten daumenlang und kleinfingerdick (oder war es „kleinfingerlang“ und „daumendick“?) gerollt werden. Eine Freundin kam vorbei und fragte: „Warum hast du Tampons da im Sieb?“ Die Dinger waren grau und ähnelten nichts, das Sie bei EDEKA im Teigwarenregal bekommen. Das ist vermutlich auch gut so.

Seit mittlerweile zwei Jahrzehnten möchte ich Weihnachtsmänner aus gefüllten Socken und Filz herstellen, Ketten aus Silberdraht mit Türkisen drehen oder einen anständigen Quilt nähen.

Nun – nach ungezählten Versuchen und einer Summe, die dem Bruttoinlands-Produkt eines kleinen lateinamerikanischen Landes entspricht. ist es Zeit, die Wahrheit auszusprechen:  Ich kann’s einfach nicht.

Alles, was ich koche oder backe, können Sie essen und auch genießen, denn ich arbeite nur mit hochwertigen Zutaten. Aber nie bekomme ich es hin, das Zeug so auf dem Teller anzurichten, dass ich es wenigstens einmal fotografieren und bei Facebook einstellen könnte.

Es schmeckt prima, aber es sieht furchtbar aus. Das gilt für alles. Wenn Sie es nicht glauben, schicke ich Ihnen gern ein Bild von meiner Lebkuchen-Testreihe im Dezember 2017.

Alles, was ich zustande brachte,  ähnelte geschrumpften Kuhfladen mit angebranntem Rand. Es half nicht, die Teile mit Schokolade zu überziehen, aber ich tat es trotzdem. Mein Mann hat gute Zähne, der isst alles, Hauptsache, es ist süß.

Es ist ein Jammer mit dem „Wollen“. Bei Facebook bin ich Abonnent von ungefähr 30 Koch- und Backseiten. Eher mehr. Die bringen immer so schöne Anleitungen und Fotos. Das koche und backe ich dann nach.

Beflissen kaufe ich ein, wiege die Zutaten ab, und was ich aus dem heißen Backofen ziehe, sieht aus, als hätte sich ein Schäferhund übergeben, und danach ist ein Elefant draufgetreten.

Meine Kuchen sind flach, wenn ich sie reinschiebe und flach, wenn ich sie herausziehe. Gilt vor allem für Käsekuchen. Der wird bei mir grundsätzlich nie was. Oder sämtliche Teige mit Hefe. Die gehen nicht auf. Die gehen nirgendwohin, egal, wie warm ich sie einpacke.

Das Schlimme an der Angelegenheit ist, dass ich es umso verbissener versuche, je mehr ich scheitere. Weil ich mir immer denke: „Geht nicht gibt’s nicht.“

Nehmen wir zum Beispiel meinen Garten. Immerhin bin ich nach 25 Jahren imstande, 10 Sorten Unkraut zu erkennen (wenn es sich nicht als Heilpflanze tarnt, das macht Unkraut nämlich gern…). Es sei denn, ich habe Radieschen gepflanzt, dann lasse ich einfach alles wachsen und warte, was dabei herauskommt. Was rot und rund wird, kann man essen, der Rest ist Unkraut. Gilt auch für Karotten.

Jedes Jahr kaufe ich Tomatenpflanzen beim Gärtner und liefere mir einen Wettbewerb mit meiner Nachbarin, einer rüstigen Witwe. Ich wässere die Tomaten, gieße sie, geize sie aus und rede mit ihnen (Wir sind per Sie).

Und dann kommt meine Nachbarin mit einer großen Schüssel voller frischer Tomaten und sagt hämisch grinsend: „Willst du welche? Ich weiß gar nicht mehr, wohin damit, so viele habe ich. Hat ja wieder nicht geklappt bei dir.“

Ich habe einen „braunen Daumen“. Was ich anfasse, geht ein. Darum hasse ich es, wenn mir jemand Topfpflanzen schenkt, die kleiner sind als 25 Zentimeter. Großblättrige Gewächse haben eine bessere Halbwertzeit, die bringe ich vielleicht durch.

Alles, was darunter ist, verschenke ich umgehend wieder.

Aber ich habe wieder 3 Tomatenstöcke in Töpfen auf dem Balkon stehen, wie jedes Jahr. Einer hat einen Pilz, eine Braunfäule, und der dritten wird schon noch was einfallen, da bin ich mir sicher.

Es ist ja nicht nur das Backen, Kochen oder die Aufzucht von eigenem Gemüse. Wann sehe ich es nur endlich ein?

Vor zwei Jahren entdeckte ich zum Beispiel auf der Hobby-Plattform „Pinterest“ einen Teppich, der aus hunderten von bunten Pompons bestand. Sie wissen schon – diese Kugeln aus Wolle, mit denen man Mützen verziert.

Von Juni bis August saß ich jeden Abend mit einem sogenannten „Pompon-Maker“ auf dem Sofa und wickelte kilometerlang Wolle auf die Plastikförmchen.

Dann war es dann soweit: Ich konnte mir ein Netz kaufen, zuschneiden und die Kugeln draufnähen.

Endlich war der Teppich fertig. Nicht ganz so rund wie bei „Pinterest“, eher in Amöbenform,  aber fertig. In 5 Metern Abstand sah er richtig gut aus. Dann trat ich barfuß darauf und knickte mit dem Fuß um, weil die Pompons unterschiedlich groß waren. Einen Tag später lagen auf dem Boden hunderte von bunten Fäden. Einige der Kugeln wirkten zerrupft, und unter den Krallen meiner schuldbewusst dreinschauenden Katzen fand ich Wollreste.

„Such dir doch ein anderes Hobby“ meinte mein Mann grinsend. „Oder mach Yoga. das kostet nicht so viel Geld.“ „Aber dann bin ich nicht produktiv“ widersprach ich. „Ich möchte was mit meinen Händen mache, etwas, das man anfassen kann.“

„Du könntest was kochen“ meinte er, schwieg aber dann, weil ihm scheinbar wieder eingefallen war, wie meine letzte Lasagne ausgesehen hatte.

Kurz darauf begann ich mit dem Basteln von Geburtstagskarten. Und wie bei allem, das ich tue, ging ich gründlich vor, kaufte zentnerweise Bastelkarton, Aufkleber, Strass-Steinchen, Bänder, Sticker und Kleber – massenhaft Kleber – und eine Heißklebepistole.

Aus diesem Hobby konnte ich folgende Lehren ziehen:

 

  • Heißkleber heißt so, weil er saumäßig heiß wird.
  • Heißkleber lässt sich nach dem Erkalten so gut wie nie mehr von einem Holztisch entfernen. Unbedingt schönes Tischgesteck basteln zum Vertuschen.
  • Es ist billiger, Karten zu kaufen. Und besser für den Blutdruck. Und für die Möbel.

 

Weitere Dinge, die ich beim Basteln gelernt habe:

  • Plusterfarben halten bombenfest auf Echtholz-Furnier und teurer Wolle (am besten Kaschmirpulli anziehen!). Geht ein Leben lang nie mehr raus.
  • Von zu viel Uhu kann einem schlecht werden.
  • Katzen sind imstande, 20 Zentimeter gelbes Seidenband zu fressen und nach einer halben Stunde wieder auszuspucken. Besser nichts auf dem Tisch liegenlassen, dass verschleppt oder verschluckt werden kann.
  • Seife mit Natronlauge zu kochen ist etwas für Personen mit einer einwandfreien Feinmotorik und der gebührenden Vorsicht sprich: Ich bin zu schusselig dafür.
  • Seife aus Glyzerin zu gießen sieht nie wie auf den Fotos aus. Aber braune Klumpen machen auch sauber.
  • Benutzte Formen zum Seife-Gießen NIEMALS in die Spülmaschine stellen, es sei denn, man muss ohnehin renovieren oder will eine Schaumparty geben.
  • Es genügt nicht, wenn selbstgemachte Kerzen aus Resten nett aussehen, nachdem man leere Klorollen mit geschmolzenem Wachs gefüllt hat. Sie sollten auch brennen. Docht also nicht vergessen.
  • Wachs geht von Holz prima wieder weg, aus Wildleder nicht.
  • Erhitztes Wachs tut genauso weh wie Heißkleber. Sicherheitsschuhe kaufen.

Man sollte meinen, dass ich nach all den Fehlschlägen aufgegeben hätte. Weit gefehlt, denn es nahte 2014 das „Jahr der Pralinen“.

Im Advent 2014 beschloss ich, dass es an der Zeit wäre, meinen Lieben etwas anderes vorzusetzen als immer die gleichen Plätzchen wie Vanillekipferl, Zimtsterne und so weiter.

Ich wollte Großes beziehungsweise Kleines schaffen, denn ich traute mir das zu. Es konnte ja nicht immer alles schiefgehen. In irgendwas ist jeder gut. Vielleicht war das bei mir Konfekt.

Bei Facebook war ich auf eine Seite gestoßen, die mich mit ansprechenden Hochglanzbildchen lockte, so dass ich davon überzeugt war, ich könne das auch. Das denke ich jedes Mal.

Also kaufte ich wieder ein. Rost zum Abtropfen, Schmelzpfännchen, Pralinen-Rohlinge zum Befüllen, Kakaobutter, Schokopellets, Sahne, Nüsse, Dekormaterial aus Schokolade und zu guter Letzt Geschenkverpackungen mit meinem Namen aufgedruckt, um all meine zukünftigen Naschereien an Freunde und Bekannte zu verschenken.

Daran können Sie erkennen, dass ich ein positiver Mensch bin.

Ich arbeitete zwei Wochen lang in jeder freien Minute mit Hochdruck an meinen Pralinen, damit ich die neuen Geschenkverpackungen mit der Aufschrift: „Bärbeles Süßwarenstube“ befüllen konnte.

Anschließend mussten wir die Küche neu weißen, denn die Schokolade klebte sogar an der Decke. Und nein – ich weiß bis heute nicht, wie die da hingekommen ist.

Irgendwann probierte ich es mit Stricken. Filzwolle war gerade im Trend, also deckte ich mich mit einem Wäschekorb voll davon ein.

Stricken kann ich: geradeaus und viereckig, also Schals und Topflappen. Ich schwitze nie dabei, und alles sieht so regelmäßig aus wie maschinell hergestellt.

Mein erstes Projekt waren ein paar Socken, die ich anschließend mit Edelweiß besticken wollte. Also legte ich los, bis ich bemerkte, dass man da Maschen zählen sollte. Und abnehmen. Das schaffe ich schon im normalen Leben nicht.

Aber ich machte die Socken fertig, so gut ich konnte. Sie waren verschieden groß, einer hatte keine erkennbare Ferse, aber mit gestickten Edelweiß drauf sahen sie beinahe gut aus. Nur anziehen konnte man sie nicht, es sei denn, man hätte zwei verschiedene Füße, von denen einer stark geschwollen sein müsste.

Weil ich noch so viel Wolle übrig hatte, verlegte ich mich auf die Produktion von Cocktailkissen. Die mussten nur viereckig sein und so regelmäßig wie möglich. Also strickte ich drauflos.

Als ich 20 riesige Quadrate beieinander hatte, filzte ich sie in der Waschmaschine, denn ich wollte anschließend Knöpfe draufsticken, Vorder- und Rückseite zusammennähen und danach einen Reißverschluss einziehen. Diese Cocktailkissen würden hübsch aussehen.

Der Stapel liegt jetzt seit 2 Jahren in meiner Ankleide. Irgendwann… finde ich jemanden, der mir die Reißverschlüsse einnäht. Sobald ich die Teile bestickt habe.

Das einzige, das ich einwandfrei hinbekomme, sind Badebomben aus Kakaobutter, Zitronensäure, Maisstärke und Soda. Ich forme perfekte, mit Rosenblättern, Bienenwaben oder Lavendel verzierte Kugeln, lasse sie trocknen, und dann verpacke und verschenke ich sie, nicht ohne ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass diese Dinger wegen der Kakaobutter jede Badewanne in ein rutschiges emailliertes Todesloch verwandeln.

Einmal saß ich drei Stunden in der glitschigen Wanne und kam nicht mehr raus, bis mein Mann mich lachend rettete. Riechen tun sie aber gut.

Das letzte Experiment begann ich letztes Jahr. Ich würde mir ein schwarzes Kostüm, bestehend aus Blazer und Rock, nähen. Den Stoff hatte ich schon gekauft. Und die Nähmaschine noch nicht verkauft.

Was ich nicht hatte, waren: Reißverschluss, Futter oder Ahnung, wie viel Arbeit das macht, denn ich hatte mir vorgenommen, innerhalb eines Tages fertig zu sein.

Nachdem ich einen Tag später mein selbstgenähtes Kostüm stolz meiner Mutter vorgeführt hatte, begab sich diese zum örtlichen Nähgeschäft und sagte: „Wenn Sie meiner Tochter noch einmal ein Stück Stoff verkaufen, komme ich niemals wieder.“

Es hatte nichts geholfen, die fehlende Knopfleiste, die nicht vorhandenen Knöpfe und auch den gar nicht existierenden Reißverschluss im Rock (große Sicherheitsnadel…) mit einem Schal verdecken zu wollen, denn meine Mama sieht alles. Immer.

Ich glaube, die werden mir wirklich nichts mehr verkaufen. Macht nix – gibt ja Ebay.

Vielleicht fange ich eines Tages doch noch mit einem Quilt an, denn ich habe gelesen, früher wurden diese Decken von Hand zusammengenäht. Kann also so schwer nicht sein. Und ich habe noch massenhaft von diesen gefilzten Vierecken, aus denen Cocktailkissen hätten werden sollten.

Kommt jemand vorbei und hilft mir? Ich backe Ihnen auch Kuchen, den Sie ins Müsli rühren können. Oder einen Hefezopf.

Ich wünsche Ihnen eine schöne Zeit und verbleibe mit den besten Grüßen

Ihre

Barbara Edelmann

Bildnachweis: pexels.com

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