Dienstag, 8. Oktober, 2024

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Stiefmutter rät: “Akzeptiert den recht- und pflichtlosen Status!”

Im Internet ist dieser Tage eine lebhafte Diskussion um die Rolle der Stiefmutter entbrannt. Der Begriff erinnert viele Leute zumeist an die böse Stiefmutter im Märchen und ist somit häufig eher negativ besetzt. Aber die Bezeichnung lautet nun einmal so, wenn man nicht gerade den Begriff “Bonusmutter” benutzt. Doch ganz gleich, wie man die neue Frau im Haushalt einer Familie mit Kindern nennt – die Rolle der Hinzugekommenen ist oftmals gewöhnungsbedürftig. Für alle Beteiligten.

Autorin schreibt über die Rolle der Stiefmutter

Wie das im Detail aussieht, darüber berichtete Elsa Koester, die ein Buch über das Thema geschrieben hat, gegenüber welt.de. Ihr Werk schrieb die Autorin aus einer eigenen Erfahrung heraus, denn bedingt durch eine neue Partnerschaft ist sie selbst eine Stiefmutter.

In Sachen Erziehung vertritt sie den Standpunkt, dass es ihr nicht zusteht, die Kinder des neuen Partners zu erziehen. Koester, die in Berlin lebt und bislang keine eigenen Kinder hat, beschreibt ihre Stiefmutter-Situation so:

“(…)Meinen heutigen Partner habe ich erst mit 36 Jahren kennengelernt. Das heißt aber nicht, dass ich mich nicht schon vorher mit der Mutterrolle auseinandergesetzt hätte, mit dieser Verantwortung für Kinder. Ich hatte immer großen Respekt davor, wenn ich das bei engen Freundinnen mitbekommen habe. Es ist ein großer Einschnitt im Leben einer Frau. Aber jetzt, da ich diese Rolle als Stiefmutter übernommen habe, bin ich auch sehr glücklich darüber, dass diese Familie in mein Leben kam. Denn sie hat mein Leben komplett verändert, weil ich erlebt habe, wie diese Rolle mich erwachsener gemacht hat. Auf der anderen Seite bin ich auch froh, auch mal zugeben zu dürfen, dass mir das alles manchmal zu viel ist und mich dann rausziehen kann.(…)”

Warum sie über das Thema ein Buch geschrieben hat, erklärt die 39jährige mit klaren Worten:

“(…)Es wird gesellschaftlich kaum wahrgenommen, was im Leben einer Frau passiert, wenn sie Stiefmutter wird. Dass das schön ist, aber auch anstrengend. Stattdessen wird die familiäre Veränderung oft nur aus der traurigen Sicht der Kinder oder des gerade gescheiterten Pärchens gesehen: Wie gehen die Kinder damit um? Wie kommt die leibliche Mutter damit zurecht, dass sich jetzt eine fremde Frau um die Kinder kümmert? Die Bedürfnisse und Perspektive der Stiefmutter werden dabei übersehen, auch in Familienratgebern. Kommt die Stiefmütter darin vor, dann meist als neues Problem. Mit meinem Buch möchte ich das ändern und zeigen, dass Stiefmütter auch eine Stimme haben.(…)”

Und die Erziehung? Inwieweit sollte eine Stiefmutter hieran eine Aktie haben? Diese Frage ist wohl im Zusammenhang mit neuen Partnerschaften, in denen Kinder früherer Beziehungen eine Rolle spielen, elementar.

Wie sollte die Stiefmutter die Erziehung gestalten?

Dazu Elsa Koester:

“(…)Man erzieht sie ja nicht, weil sie schon von ihrem bisherigen Familienleben geprägt sind. Sie wurden ganz anders erzogen, als ich es bei eigenen Kindern tun würde: Ich würde sie zum Beispiel mehr fernsehen lassen oder auf dem Handy zocken, sie mehr selbst ihren Alltag gestalten lassen, wie ich es als Kind getan habe. Meine Stiefkids sind teils strenger erzogen, und gleichzeitig behüteter. Mir steht es aber nicht zu, diese Kinder zu erziehen.(…)”

Über diese und anderen Aussagen in dem Interview Koesters mit welt.de wird in der Kommentarspalte unter dem Beitrag kontrovers diskutiert. Etliche User teilen die Meinung der Berlinerin, andere wiederum gar nicht.

So schreibt ein User namens “DocMac” folgendes:

“Im Prinzip muss sie eigentlich miterziehen, in einem Rahmen, der vorher abgestimmt wird. Ich sehe das wie bei Internaten oder sozialen Wohngruppen. Ohne Regeln funktioniert kein Zusammenleben. Es muss auf die Bedürfnisse eines jeden geachtet werden und Kompromisse geschlossen. Sie kann sich dem gar nicht komplett entziehen!(…)”

Einige Kommentatoren geben Einblicke in ihr eigenes Patchwork-Universum. So zum Beispiel Userin “Karin E.H.”.

Viele private Einblicke in die Welt von Patchworkfamilien

Sie kommentiert:

“Bin auch Stiefmutter. Vieles kann ich nachvollziehen, es sind schon grundlegende Phänomene, die man auf einen Punkt bringen kann: Man hat keine Rechte, aber auch keine Pflichten. Aus dieser Entspannung heraus kann man das für die Kinder tun, was authentisch ist. Bei mir war es, dass ich für geregelte Mahlzeiten gesorgt habe, ihn bekocht habe, mein Hobby. Jetzt, 25 Jahre später, ist das unser Ritual und Anlass unserer regelmässigen Treffen, das gemeinsame Essen, mittlerweile mit seiner Partnerin. Mein Rat an alle Stiefväter- und mütter: akzeptiert den recht und pflichtlosen Status und geht mit Herz in die Beziehung, aber ohne Erwartungen.”

Kritik an der Bezeichnung des Nachwuchses des neuen Partners kommt von der Kommentatorin “First Lady”. Sie schreibt – gerichtet an Elsa Koester:

“(…)diese Kinder, Stiefkinder, die Kinder… ist für mich eine deutliche Abgrenzung und eine emotionale Distanz zwischen Ihnen und den Kindern Ihres Partners wahrzunehmen. Das spüren in erster Linie natürlich die Kinder. Wenn mein Partner eigene Kinder mit in die Beziehung bringen würde, würde ich mich ihnen wie zu meinen leiblichen Kindern zuwenden und sie lieben. Die Worte “Stiefkinder, diese Kinder…” würden so niemals über meine Lippen kommen.(…)”

Dass die Patchwork- und damit die Stiefmutter-Thematik für manche (Frauen) so gar nichts ist, zeigt der Wortbeitrag der Userin namens “Katharina von Semmler”:

“Stell ich mir einfach nur schrecklich vor.. was bin ich froh, dass die Kids von meinem Freund erwachsen sind. Das hätte ich mir nicht angetan.”

Eher eine traurige Erfahrung teilt “Sarah S.” mit der Community. Ihr Kommentar stimmt nachdenklich und passt zu jenen Situationen, in denen eine Stiefmutter oder ein Stiefvater dem Klischee gerecht werden:

“(…)Ich bin in einer Patchworkfamilie aufgewachsen. Zwei von Papa, eins von Mama. Wir wurden -zumindest teilweise- unterschiedlich behandelt. Das hat dann auch zu enormen Spannungen zwischen uns Geschwistern geführt, die sich teilweise heute noch im Erwachsenenalter, wo wir selbst Kinder haben, fortwirken. Wir haben überhaupt nicht die Möglichkeit gehabt, eine “Einheit” zu werden.”

Und eine ganz konsequente Haltung zum Thema “Erziehung durch die Stiefmutter” hat Kommentatorin “Angelika A.”.

So ganz abgeben kann man die Erziehung wohl nicht

Sie schreibt:

“Natürlich muss eine Stiefmutter mit erziehen, wenn die Kinder im Haushalt sind. Wenn die getrennten Eltern das nicht wollen, ist es Zeit zu gehen. Sie hat ein Recht auf ein eigenes Leben mit dem Kindsvater und bringt ihre Erfahrungen ein. Die Kinder haben nicht das alleinige Sagen bezüglich Freizeit, Essen und Urlaub. Das muss gemeinsam entschieden werden, denn sonst erzieht man egoistische Sonnen. Die Eltern haben sich getrennt und neue Partner. Die Welt ist nun anders, aber doch nicht schlechter als früher.(…)”

Dass das Thema “Stiefmutter” so viele Emotionen hervorruft, verwundert nicht. Zum einen finden sich heutzutage viel mehr Frauen in dieser Rolle wieder als früher; und zum anderen bringt dieses Familienmodell nunmal Herausforderungen – oft auch Probleme – mit sich. Nicht umsonst gibt es für das Thema “Patchworkfamilien” in einschlägigen Web-Foren einen separaten Button.

Patchwork-Situation ist Gegenstand vieler Internet-Diskussionen

Wer dort drauf klickt, landet oftmals in Threads, die sich gewaschen haben. Häufig geht es um Manipulation, ein nicht harmonisches Patchwork-Familienleben oder um Ausgrenzung. Die Unsicherheit im Zusammenhang mit der Rolle der Stiefmutter ist ein immer wieder kehrendes Thema, so dass Autorin Elsa Koester tatsächlich einen Nerv getroffen hat.

In ihrem Buch “Vom ungeplanten Glück, in einer Patchworkfamilie zu leben” geht sie intensiv auf alles rund um das Thema “Stiefmutter” ein und berichtet ehrlich und authentisch aus ihrem Leben, in dem sie nun die “Bonusmutter” ist. Den Begriff mag die Autorin eher nicht – aber darauf kommt es ja im Patchwork-Familienleben auch nicht an.

Bild (Symbolfoto): picture alliance / dpa-tmn | Zacharie Scheurer

Quelle: welt.de vom 24. Oktober 2023

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