Das liebe Dorfleben! Der eine mag es total, der andere wiederum würde es keine zwei Tage in ländlicher Umgebung aushalten. Keine Frage: Die Diskussion in Sachen Leben auf dem Dorf – rund um das Für und Wider – reisst nicht ab. Gerade auch vor dem Hintergrund der aktuellen Wohnungsmarkt-Situation. Wer eine Alternative zu explodierenden Stadtmieten oder Mondpreisen für Eigentum in Citylage sucht, der schaut sich aktuell auch außerhalb der Stadt um und recherchiert die Angebote im Ländlichen. Ist dann die Entscheidung FÜR das Leben auf dem Dorf gefallen, kann es gut oder weniger gut ausgehen.
Erfahrungsberichte über neues Leben auf dem Dorf: Nicht immer positiv
Erfahrungsberichte gibt es genug, unzählige Foren im Web zeugen davon. Viele Postings gleichen sich und drehen sich vordergründig darum, dass es für Zugezogene auf dem Dorf schwer ist, Kontakte zu bekommen. Oftmals erzählen Mütter davon, die Mauer aus alteingesessenen Strukturen nicht durchbrechen zu können. Viele haben sich die sozialen Kontakte nach dem Umzug aufs Dorf anders vorgestellt und beklagen, dass die Einheimischen mauern und neue Leute ausgrenzen. Dass es aber auch das umgekehrte Extrem gibt und der Kontakt zu neu Zugezogenen in eine Dauerbeobachtung ausartet, beschreibt aktuell eine Frau in einem Familienforum im Internet.
Dauerbeobachtung am Gartenzaun
Schon ihre familiäre Situation ist außergewöhnlich. Sie schreibt (Rechtschreibung immer im Original):
“(…)ich wohne seit gut zwei Jahren auf dem Land und so langsam kann ich nicht mehr: Ich traue mich kaum vor die Tür. Mein Mann, meine Tochter (1,5 Jahre) und ich wohnen mit seiner Oma in einem Haus im Nachbarhaus wohnt der Bruder der Oma. Auch die Leute in den nächsten Häusern wohnen schon sehr lange da. Jeder kennt jeden und alle meinen Mann von klein auf.(…)”
“Jeder kennt jeden” – die typische Dorfsituation wird der Erstellerin des Threats schnell zum Verhängnis:
“(…)Sobald ich das Haus verlasse ( auch zum Müll rausbringen) steht da wer. Und wehe du Grüßt und lächelst nicht und führst keinen kleinen Smalltalk. Das ist ein Riesen Eklat. Keiner kann verstehen, dass ich nur schnell den Müll runter bringe und das Baby/ Kleinkind nicht länger alleine in der Wohnung lassen will. Wenn ich im Garten bin, kommen sofort 3-4 Leute und schauen was ich mache.(Eckgrundstück und zu allen Seiten offen, einen Zaun will mein Mann nicht. Die kleine Hecke wird von der Oma rigoros kurz geschnitten. ) Es wird alles kommentiert, das Kind hat die falschen Sachen an,Man kann sich doch nicht ins Gras legen. Usw. Wehe, ich bin dann nicht freundlich und rede mit allen. Irgendwas im Garten erledigen, ist fast unmöglich.(…)”
Eine Lebenssituation, die schon beim Lesen Beklommenheit verursacht. Man kann sich die “Privatsphäre” der Frau lebhaft vorstellen.
Ohne Ende auf dem Präsentierteller
Und bekommt die Bestätigung dazu umgehend geliefert. Die Userin berichtet nämlich weiter:
“(…)Ich habe noch nie entspannt im Garten gesessen. Man sitzt immer auf dem Präsentier Teller. Neulich hatten wir ein Planschbecken aufgebaut.(…)Letzte Woche hatte ich einen Streit mit meinem Mann und bin raus um kurz Luft zu holen. Sofort war der Nachbar da: „was ziehst du so ein Gesicht, man kann auch mal freundlich Grüßen“
Als ich von einer ambulanten OP heimkam, waren gleich mehrere Nachbarn beleidigt, dass ich einfach nur ins Haus bin. Heute früh ist mir beim Beladen von meinem Fahrrad die Tasche runtergefallen, als ich alles von der Einfahrt gesammelt habe, kamen gerade die Nachbarn raus. Ich habe dann nur kurz „Guten Morgen“ gesagt, aber scheinbar nicht laut genug und nicht gewunken. Mein Mann hat sich wieder sofort richtig aufgeregt: Es wäre wirklich erschreckend wie unfreundlich ich bin, furchtbar. Nicht mal die Tageszeit könnte ich sagen.(…)”
Ein Leben, das kein Leben ist – so könnte man wohl die Situation der Betroffenen kurz und knapp zusammenfassen. Auch die anderen Userinnen sehen das so und sind ob der geschilderten Umstände entsetzt.
Glasklare Reaktionen auf dieses Leben
Nahezu alle Frauen, die auf das Posting geantwortet haben, empfehlen der Frau einen Umzug bzw. die Trennung.
Zitat:
“Da bleiben nur klare Worte zu deinem Mann. Für mich wäre so ein Leben unerträglich. Entweder ändert sich etwas (Sichtschutz Garten, Wahrung der Privatsphäre durch die Oma) oder du ziehst Konsequenzen (Umzug) ob mit oder ohne ihn. Wenn dein Mann nicht mit dir auf einer Seite steht kämpfst du gegen Windmühlen.”
Eine andere Userin hält sich kurz und knapp, bringt aber das Wesentliche auf den Punkt:
“Da wäre ich schneller weg, als man bis 3 zählen kann(…)”
Der Tenor ist klar: So kann niemand leben, so will niemand leben und eine Privatsphäre hat man unter so einer Dauerbeobachtung erst recht nicht. Logisch.
Trennung als einzige Option?
Die Frage ist natürlich, ob eine Trennung für die betroffene Mutter wirklich so einfach zu bewerkstelligen ist. Bekanntlich spielen da viele Gründe rein und wenn die Beziehung an sich in Ordnung ist, sind es ja “nur” die äußeren Faktoren, die ein normales Leben unmöglich machen. Vielleicht ist deshalb der Tipp zur Trennung der zweite Schritt vor dem ersten.
Letztlich ist die Erstellerin des Postings selbst gefragt und muss handeln. So zu leben wird sie auf Dauer niemals durchhalten können und ob sie es tut, werden die User im Forum eher nicht erfahren.
Insofern ist diese Erfahrung für andere, die aufs Dorf ziehen wollen, ein wertvoller Beitrag, der durchaus in die Entscheidung, ins Ländliche überzusiedeln, einfließen könnte. Zumal dann, wenn man gedenkt, sein weiteres Leben in einem Mehrgenerationen-Objekt zu verbringen. So schön, wie diese Projekte (gedacht) sind: Nicht immer geht es gut!
Abhilfe könnte freilich ein Probewohnen über einen gewissen Zeitraum mit Kind und Kegel schaffen. Doch wie immer im Leben gilt: Auch das ist keine Garantie. Leider.
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Quelle: urbia.de / User elisa773, Windmuehlen, sachi07