Astrid Korten, geboren in den Niederlanden, schreibt Suspense-Thriller, Psychothriller und Romane, die sie bei BoD und beim Piper Verlag veröffentlicht.
In „Poppy“ widmet die Autorin sich dem schwierigen Thema Kindesmissbrauch. Im April ist der Titel auf den Spitzenplatz der BoD-Bestsellerliste aufgestiegen.
Mit „Poppy“ hat die Essener Autorin die Missbrauchsgeschichte „ganz bewusst aus Sicht eines Kindes“ aufgearbeitet. Im Anschluss an die Veröffentlichung des Spannungsromans im November 2019 hat Korten ein Projekt zur Gewaltprävention mit Schülern ins Leben gerufen, aus dem inzwischen ein TV-Spot entstanden ist.
Über das Buch und Kortens Engagement hat die Lokalzeitung „WAZ“ mehrfach berichtet. Interesse an dem Text kommt derweil auch von anderer Seite: Der Roman wird zurzeit ins Amerikanische übersetzt, das Drehbuch wurde bereits über Kortens Agenten in Los Angeles verkauft.
Im Interview berichtet Astrid Korten über die Arbeit an „Poppy“, ihr Präventionsprojekt und ihre Rolle als Autorin.
FB: Astrid, Dein Buch „Poppy“ ist ein ganz anderes Genre als Deine anderen Bücher. Wie kam es dazu, dass Du es geschrieben hast?
AK: Ich engagiere mich seit Jahren gegen Kindesmissbrauch und Gewalt gegen Frauen/Männer. Beides sind Tabuthemen. Poppy ist ein Psychodrama und beruht also auf einer wahren Begebenheit, von der ich während meiner Studienzeit erfahren habe. Damals arbeitete ich in den Semesterferien bei einem Psychiater und stieß per Zufall auf Poppys Patientenakte. Ich war so entsetzt über diese Entdeckung, weil der Missbrauch in meiner unmittelbaren Nähe stattgefunden hatte. Poppy ist eine Schulfreundin.
Sexueller Missbrauch bedeutet, dass ein Erwachsener oder Jugendlicher seine Position der Macht, seine geistige und körperliche Überlegenheit, das Vertrauen und die Unwissenheit eines Kindes dazu benutzt, seine eigenen sexuellen Bedürfnisse zu befriedigen. Poppy hat mir ihre Geschichte erzählt, als sie bereits erwachsen war, aber ich hatte bereits Jahre zuvor davon erfahren.
Kindesmissbrauch erschüttert und macht betroffen. Das Schreiben darüber ist schwer, aber es ist ein Thema, das niemals tabuisiert werden darf. Ich wollte dem Kindesmissbrauch ein Gesicht geben und das habe ich mit Poppy getan. Insbesondere, weil immer wieder neue Fälle ans Tageslicht kommen wie neulich in Münster.
FB: Kannst Du Dir im Zusammenhang mit Poppy heute Situationen aus Deiner Kindheit erklären, die Dir damals vielleicht seltsam vorkamen?
Poppy und ich kennen uns seit der Schulzeit. Als Siebenjährige habe ich mich oft gefragt, warum sie so komisch war, warum sie nicht mit mir spielen durfte oder warum ich das Haus nicht betreten durfte. Aus war sie war ein ausgesprochen blasses Kind. Sie machte auf mich stets einen kränklichen Eindruck.
Heute kenne ich den Grund. Ich habe viele Gespräche mit Poppy geführt und mein damaliges Bauchgefühl hat mich nicht getäuscht. Instinktiv habe ich geahnt, dass da etwas gewaltig faul war.
FB: Wie gestaltete es sich, das Vertrauen der echten Poppy zu erlangen?
AK: Das hatte und habe ich seit unserer Schulzeit. Poppy ist aus der Sicht des Kindes geschrieben. Das war mir wichtig. Für den Roman habe ich viele Jahre gebraucht. Poppy und ich mussten immer wieder eine Pause einlegen. Es war sehr schwierig – ja, es war in emotionaler Hinsicht eine echte Herausforderung.
Die Sprache den verschiedenen Altersstufen anzupassen – 6, 7, 10, 13 und 14 Jahre – ist mir nicht besonders schwer gefallen, da zwei hervorragende Lektoren mich begleitet haben. Sobald ich in der Zeit ein gleichaltriges Kind auf der Straße sah, musste ich immer wieder an Poppy denken.
Ich habe beim Schreiben teilweise selbst geweint. Und gelacht, weil Poppy in der Grundschule einen besonderen Blick auf die Erwachsenenwelt hatte. Das war oft zum Schreien komisch. Nur durch den Humor, der allerdings nie im Widerspruch zu den erschütternden Begebenheiten, die Poppy ertragen musste, steht, konnte ich dieses Buch schreiben. Der Roman hallt unglaublich nach. Die Rezensionen bestätigen das auch.
FB: Wie waren die Reaktionen auf Dein Buch – sowohl von Lesern, Fans und der Öffentlichkeit?
AK: Poppy steht seit Monaten in der Bestsellerliste und selbst Buchreport hat über den Roman einen großen Artikel veröffentlicht, da Poppy bei BOD Platz 1 in der Bestsellerliste erreicht hat. Mittlerweile gibt es schon über 260 Rezensionen bei Amazon und es sind fast nur 5* Sterne-Wortmeldungen.
Wenn ein kleines Mädchen von dem Missbrauch berichtet, trifft das mitten ins Herz. Die Geschichte von Poppy berührt tief und macht zugleich unglaublich wütend. Und es hallt nach.
FB: Du engagierst Dich gegen Kindesmissbrauch – wie schaut das konkret aus?
AK: Kindesmissbrauch erschüttert, erzürnt, berührt auf vielfache Weise, aber das Wissen um solche Gräueltaten mobilisiert auch. Deshalb habe ich in „Poppy“ das Tabuthema nicht nur anhand einer wahren Geschichte aufgegriffen, sondern auch einen TV-Spot zur Gewaltprävention produziert und die Initiative „Ein Herz für Poppy – gegen Kindesmissbrauch ins Leben gerufen. In dem TV-Spot treten Laiendarstellerinnen in Poppys Alter auf und zitieren Sätze aus dem Roman. Sie sagen aktiv „Nein“ und zeigen, wie man in unklaren Situationen klare Worte findet.
Gedreht wurde vor der Corona-Krise in einem Hotel. Kameras, Scheinwerfer, ein professioneller Schauspieler und eine Visagistin, die beide auf das Honorar verzichteten, und vieles mehr: Ein Raum wurde kurzerhand in ein Filmstudio verwandelt. Die Produktionsgesellschaft Donner-TV hat sich der Sache angenommen.
Die Mädchen wurden nach einem Aufruf in den Medien gecastet und sie waren sehr professionell bei der Sache. Der Schauspieler Tom Heuser verkörpert den Lehrer Hoffmann, Poppys Vertrauensperson. Ich zeige in dem Spot die „Zeichen“ eines Kindes anhand von Zitaten aus dem Buch.
Mit dem TV-Präventionsspot gegen Kindesmissbrauch und vielen anderen Projekten unterstütze ich die Vereine Wildwasser e.V. und gegen-Missbrauch e.V. und andere sowie Aquas Bravas Nicaragua. Dort werden täglich Frauen und Kinder missbraucht.
FB: Was läuft Deiner Meinung nach schief in Sachen Kindesmissbrauch? Vor dem Hintergrund, dass zwar gesellschaftlicher und politischer Konsens darüber herrscht, dass dieser unbedingt bekämpft und abgeschafft gehört, aber andererseits der digitale Handel mit Kinderpornos blüht und Kriminelle täglich über`s Web Kontakt zu Kindern suchen, um sie zu missbrauchen. Was müsste hier Deiner Meinung nach unbedingt getan werden?
Die Berichterstattung über Kindesmissbrauch ist oft sehr distanziert, was zum Teil auch richtig ist. Wir müssen die Opfer schützen. Aber Medien berichten nur über einen Fall und den Täter. Selten erfährt man etwas über die Kinder. Die Reaktionen sind in der Regel „Oh, wie furchtbar“, dann geht man zur Tagesordnung über.
Deshalb ist Prävention so wichtig, damit die Menschen erfahren, auf welche Zeichen sie achten sollen. Welche Signale sendet ein Kind? Welche Mechanismen wendet der Täter bei einem Kind an, damit es schweigt? Aus dem Grund habe ich Poppys Geschichte aus der Sicht des Kindes geschrieben. Es ist nicht nur ihre Geschichte, sondern der Roman klärt auch auf und sollte Pflichtlektüre für Schulen sein.
Nach dem jüngsten Missbrauchsfall in Münster sehe ich plötzlich einen betroffenen Staatsanwalt, eine Justizministerin bei Markus Lanz, die neue Gesetze schaffen will, und einen Bundestag, der über das Thema Missbrauch und Gewalt debattiert. Eine Justizministerin spricht mit einem Mal von Prävention, sagt, dass die Familienrichter besser ausgebildet werden müssen, um die Sensibilität eines Kindes besser beurteilen zu können. Wenn Wiederholungstäter nur Bewährungsstrafen bekommen, machen sie einfach weiter.
Denn nach dem Gesetzt ist ein Einbruch ein Verbrechen, schwerer sexueller Missbrauch hingegen ein Vergehen. Aber das soll jetzt per Gesetz neu definiert werden. Nur 0,5 % der Täter erhalten eine Gefängnisstrafe. Das sind 2 Täter pro Jahr. Das liegt teilweise auch an der Beweisführung. Die Verschlüsselung von Dateien ist nur ein Problem, ein anderes ist die Meldung der IP-Adresse an eine zentrale Stelle und deren Speicherung. Das wissen Täter. Im Darknet oder Deep web fühlen sie sich sicher. Es gibt also viel zu tun.
Die Öffentlichkeit hat etwas bewegt. Neue Gesetze und Prävention sind seitens der Politik geplant.
FB: Wie gehst Du damit um, aufgrund Deines Buches von vielen Einzelschicksalen zu hören, die nunmehr an Dich herangetragen werden?
Ich finde es sehr wichtig, den Opfern zuzuhören und Hilfe anzubieten. Es sind teilweise schlimme und bewegende Schicksale. Diese Menschen kämpfen ein ganzes Leben mit ihren Traumata, mal mehr, mal weniger.
FB: Wie sieht es im Leben der echten Poppy heute aus, habt ihr noch Kontakt?
Poppy geht es heute gut. Sie ist verwitwet und hat vier Kinder.
FB: Was für ein Buchprojekt gehst Du als nächstes an?
Ich veröffentliche ja auch über den Piper-Verlag. Und dort erscheint Anfang Oktober ein besonderer Thriller, denn SEELEN UNTER DEM EIS hat im Int. World Movie Contest in Los Angeles das Finale in einem Drehbuchwettbewerb erreicht.
Der Thriller spielt in Huntsville in Texas und erzählt die Geschichte von Tom, ein erfolgreicher Werbe-Macher, der nach dem Tod seiner Mutter eine Leere in sich spürt und die er durch einen Lehrauftrag an der Universität zu füllen versucht. Dabei kommt es zur Konfrontation mit der Studentin Amal, die weder talentiert noch schön ist.
Gegen seinen Willen verfällt Tom der seltsamen jungen Frau mehr und mehr und gibt zum ersten Mal die Zügel aus der Hand. Obwohl Amal oft irrationales Verhalten an den Tag legt, vermag sich Tom ihrem erotischen Sog nicht mehr zu entziehen und verstrickt sich immer mehr in diese außereheliche Affäre – bis sein Doppelleben zu einer Katastrophe führt …
Es gibt bereits eine erste Literaturkritik:
„Einer der besten Thriller, die ich in den letzten Jahren gelesen habe, ein Pageturner, den man nicht mehr aus der Hand legen kann und ein Plädoyer gegen die Todesstrafe.“
Redaktionsbüro Leipold
FB: Was interessiert Dich, wenn Du nicht schreibst oder recherchierst? Hast Du Hobbys? Wenn ja, welche?
Aber ja. Ich spiele Saxofon und male (Öl auf Leinen).
Eine Rezension des Buches vom Frauenboulevard.de-Team finden Sie hier.