Melodische Klänge, romantische Kompositionen oder ein rockiger Sound – all diese Töne können nicht nur bestimmte Stimmungen hervorrufen, sondern auch trösten und in eine besondere Atmosphäre versetzen. Jeder kennt das. Und den allermeisten Menschen hat die Tonkunst auch schon in einschneidenden oder traurigen Situationen geholfen. Sind solche Phasen dann überstanden, machen nicht wenige Leute – vorrangig Frauen – “Nägel mit Köpfen” und läuten einen Lebensabschnitt gebührend ein. Der Klassiker ist hier der Gang zum Friseur oder ein Umzug. Man kann aber anläßlich persönlicher Wendepunkte auch eine ganz individuelle Komposition in Auftrag geben. Bei Hauke Kranz zum Beispiel (im Bild). Etliche Menschen haben das bei ihr, der Pianistin, die als Tastenflüsterin unterwegs ist, schon getan. Aus gutem Grund.
Die Tastenflüsterin: Künstlerische Kreativität weit über klassisches Klavierspiel hinaus
Denn Hauke Kranz, die auch selbst komponiert, gestaltet ihre künstlerische Kreativität weit über das klassische Klavierspiel hinaus. Die Erfahrung eigener Krisen wurden bei ihr stets von Musik begleitet. Daraus folgende Emotionen, die unter anderem von Aufbruchstimmung über Traurigkeit bis hin zu neuer Hoffnung geprägt waren, hat sie musikalisch verarbeitet und gibt sie – in eine Komposition gegossen – an andere Menschen weiter. Und das auf eine solche von Herzen kommende, zurückgenommene und empathische Weise, dass man gar nicht umhin kommt, mit ihr etwas anderes als die Tastenflüsterin zu verbinden.
Wie es zu diesem Namen kam und welche Rolle ihre Musik für sie und andere Menschen spielt, hat sie im Interview verraten:
FB: Liebe Frau Kranz, Sie sind als Tastenflüsterin unterwegs. Der Name lässt bereits erahnen, dass Sie eher in der Welt der leiseren Töne zuhause sind. Ist das so? Und: Wie sind Sie auf diesen grandiosen Namen gekommen?
Mit dem „Tastenflüstern“ sind nicht unbedingt nur die leisen Töne gemeint. Genauso, wie man bei gesprochenen Worten manchmal zwischen den Zeilen lesen kann, kann Musik eine Botschaft transportieren, die weit über den reinen Klang hinaus geht.
Ich habe mich lange gefragt, was da in meinen Konzerten zwischen mir und den Zuhörern wirklich passiert.
Schwingungen zwischen den Tönen: Hier hört man mit dem Herzen
Zwischen den Tönen schwingt da etwas mit, was nur mit dem Herzen zu hören ist, und es entsteht ein Raum, wo wir alle miteinander verbunden sind. Doch wie lässt sich das mit einem Wort beschreiben?
Die Antwort kam Ende 2018 in einem immer wiederkehrenden Traum zu mir: Dort saß ich am Flügel auf der Bühne eines großen Theaters mit goldenen Rängen und Stühlen mit rotem Samt. Manchmal war ich dort allein, und spielte nur für mich. Manchmal konnte ich spüren, dass da Menschen im dunklen Saal saßen – mucksmäuschenstill. Manchmal jubelten und klatschen sie mir zu, und ich konnte Tränen in ihren Augen sehen. Im letzten dieser Träume öffneten sich die Wände des Theaters, und ich spielte in die Welt hinaus. In diesem letzten Traum nannte ich mich selbst „Tastenflüsterin“, als wenn es nie anders gewesen wäre.
Als ich aufwachte, tippte ich mir an die Stirn und hielt das Ganze für ein Hirngespinst. Doch in den nächsten Tagen ließ mich diese „Ruf“ nicht mehr los und 2 Wochen später war „Hauke Kranz – Die Tastenflüsterin“ geboren.
FB: Dass sich Töne zu Musik fügen, war DER Schlüsselmoment in Ihrem Leben – erzählen Sie doch mal!
Ich kann mich sehr gut an diesen Moment erinnern: Es war in der Weihnachtszeit 1968 – ich war gerade 4 Jahre alt. Damals habe ich das große, schwarze Klavier im Arbeitszimmer meines Vaters für mich entdeckt.
Jeden Abend stand ich im Schlafanzug davor und versuchte, eine Melodie auf den Tasten zu finden: „Vom-Him-mel-hoch-da-komm-ich …“.
Am Anfang stand Hartnäckigkeit
Ich kann mich noch gut an meine Hartnäckigkeit erinnern und an das aufregende Gefühl, als aus den einzelnen Tönen auf einmal Musik wurde – das war magisch!
FB: Sie sagen von sich selbst, dass Umbrüche das Thema Ihres Lebens sind. Ihre musikalische Laufbahn starteten Sie als klassische Pianistin. Wann kam der erste Umbruch?
Der kam mit Anfang 40. Viele Jahre war ich mit Leidenschaft als klassische Pianistin unterwegs. Ich liebte es, auf der Bühne zu stehen und in Kontakt mit dem Publikum zu sein. Ich kreierte immer neue, spannende und ungewöhnliche Soloprogramme, spielte im In- und Ausland, mit Orchestern und in verschiedenen Kammermusikformationen.
Doch mit den Jahren wurden meine eigenen Erwartungen an mich selbst immer höher. Der Leistungsdruck und der ewige Vergleich mit der „Konkurrenz“ ließen mich nicht mehr zur Ruhe kommen. Irgendwann habe ich mich dabei selbst verloren, mein Körper streikte, und ich war völlig ausgebrannt.
In Krisenmomenten war da immer die Musik
Mit Anfang 40 gab ich meine klassische Karriere auf und habe damals die Künstlerin in mir bewusst verabschiedet – ein langer und schmerzhafter Prozess.
FB: Trost, Halt, Lebendigkeit, Harmonie, neuer Mut – ganz bewusst bringen Sie Klänge in Verbindung mit prägenden Lebenssituationen und haben dafür eigene Kompositionen geschrieben. Der Ansatz, den sie hier verfolgen, klingt fast ein wenig nach Therapie – im positiven Sinne. Können Sie dies näher beschreiben?
Musik begleitet mich schon ein Leben lang und hat mich durch viele Hören und Tiefen geführt. Insofern könnte man sagen, dass sie „Therapie“ für mich war.
Ich empfinde es aber so, dass mich das Leben in Krisenmomenten immer wieder zur Musik zurückgeführt hat. Und mich damit daran erinnert hat, was der rote Faden meines Lebens und meine Bestimmung ist.
Irgendwann habe ich erkannt, dass ich meine musikalische Gabe bekommen habe, um diese Erfahrungen an andere Menschen weiterzugeben.
Mit meiner Musik und den Entstehungsgeschichten zu den einzelnen Stücken mache ich ihnen Mut und erinnere sie daran, worum es wirklich geht in ihrem Leben. Es entsteht eine große Nähe zwischen uns und ein geschützter Raum, in dem sich Herzen öffnen können.
FB: Seit wann schreiben Sie eigene Kompositionen? Und: Gibt es einen bestimmten Namen für diesen Musikstil?
Seit 2015 bin ich mit eigenen Kompositionen unterwegs und nenne mein Genre „Poetic Piano“.
„Poetic Piano“ – die Klangsprache der Romantik
Meine Musik ist geprägt von der Klangsprache der Romantik, von Komponisten wie Chopin oder Schumann. Es finden sich aber auch Anklänge von Entspannungsmusik oder Filmmusik wie von Ludovico Einaudi oder Max Richter darin.
FB: In welchen Stimmungen werden Sie zu Ihren Kompositionen inspiriert?
Ich kann bis heute nicht vorhersagen, wann und wo die nächste Komposition zu mir kommt.
Mal ist es viele Wochen still, und dann sprudelt es auf einmal nur so.
Viele meiner Stücke sind von der Natur und besonders von meinen Auszeiten auf der Nordseeinsel Langeoog inspiriert.
Sie erzählen von Momenten des Aufbruchs und inneren Stürmen genauso wie von stillen Abendspaziergängen am Strand und dem Ankommen bei mir.
FB: Ihre selbst komponierte Musik bieten Sie auch zum Feiern eines neuen Lebensabschnittes an – für eine Dekade, in der etliche Frauen eine neue Frisur auswählen. Hierfür stattdessen auf eine individuelle Melodie zu setzen, klingt total spannend. In welchen Situationen sind Ihre Kompositionen bei Frauen gefragt?
Mir wurde oft gesagt, dass meine Musik sich gut als Filmmusik eignen würde. Und ich bekomme immer wieder Feedback von Menschen, für die ein Titel von mir zum „Soundtrack ihres Lebens“ geworden ist. Daraus ist die Idee entstanden, Kompositionen für verschiedenen Anlässe anzubieten.
Persönliche Momente, die in Erinnerung bleiben
Ob als Hintergrundmusik für einen Website-Trailer, für eine Fotostrecke oder ein Landschaftsvideo oder auch für einen persönlichen Anlass wie einen runden Geburtstag oder als Symbol für eine Wende im Leben – am intensivsten ist mir der „Auftrag“ einer Frau in Erinnerung, die gerade ihren Mann verloren hatte.
FB: Was für Wendepunkte und Krisen waren es, die Ihr Leben ganz besonders prägten? Und welche Rolle spielte welche Art von Musik dabei? Was war bisher der größte Wendepunkt und Krise in Ihrem Leben?
Einen der größten Tiefpunkte meines Lebens habe ich während der Pandemie erlebt. Mit dem ersten Lockdown durfte ich nicht nur wie viele andere Künstler nicht mehr auf die Bühne, sondern hatte auch in meinem zweiten Beruf als Klavierlehrerin ein „Arbeitsverbot“. Das löste große Existenzängste aus, aber gleichzeitig war ich wild entschlossen, die Künstlerin in mir lebendig zu halten.
Damals habe ich die „Konzerte am Fenster“ ins Leben gerufen und jeden Sonntagabend am offenen Fenster in die Welt gespielt und das Konzert ins Netz übertragen. Nach 14 Wochen habe ich aufgegeben – weil klar wurde, dass der Spuk wohl noch ein bisschen länger dauern würde.
Als dann Ende 2020 der zweite Lockdown kam, fiel ich in ein tiefes Loch. Ich verstand diese erneute Vollbremsung als ein Zeichen vom Universum, dass meine musikalische Vision wohl eine Illusion war. Ich klappte das Klavier zu und viele Wochen lang war nur noch Leere in mir.
Die Magie aus Tönen und Melodien
Doch dann passierte etwas Magisches: Aus der Stille in mir tauchten plötzlich Töne und Melodien auf und riefen mich wieder ans Klavier. So intensiv, dass ich nächtelang saß und eine Komposition nach der anderen entstand. Und mir wurde klar: Wenn ich mich selbst mit dieser Musik halten und trösten kann, dann kann sie das auch für Anderen tun. Und dann ist es meine PFLICHT, wieder loszugehen und sie in die Welt zu bringen.
Nur ein Jahr später ist mein aktuelles Album „Beyond Boundaries – jenseits aller Grenzen“ erschienen. Die Musik darauf erzählt von der Zeit des Zusammenbruchs und des Rückzugs und von meinem erneuten Aufbruch – der Rückkehr ins Leben.
FB: Als Künstlerin treten Sie auch öffentlich auf. Mit welchem Bühnenprogramm begeistern Sie Ihr Publikum?
Aktuell bin ich mit einem neuen Konzertprogramm unterwegs. Es heißt „Whisper of the sea – was mir das Meer erzählt” und enthält Kompositionen aus meinen drei CDs, die alle vom Meer inspiriert sind. Ich nehme die Zuschauer mit auf meine Lieblingsinsel Langeoog und erzähle von den magischen Momenten, in denen die Stücke entstanden sind.
FB: Welche Veranstaltungen oder Projekte stehen in nächster Zeit bei Ihnen an?
Jetzt im September stehen Konzerte in Essen und in Varrel (b.Sulingen) an. Mein Ziel ist es, 2025/26 mit dem neuen Programm „Whisper of the sea“ deutschlandweit unterwegs zu sein. Sobald die Termine fest stehen, sind sie auf meiner Website unter „Aktuelles“ zu finden.
Gemeinsame Musik mit einem Orchester
Das nächste CD-Projekt zeigt sich gerade am Horizont:
Ich träume schon länger davon, meine Musik nicht nur solo, sondern auch zusammen mit einem Orchester in die Welt zu bringen. Wie es klingen könnte, kann ich bereits in mir hören und im Moment entstehen die ersten Arrangements für Klavier und Orchester.
Noch ist der Startschuss für Album Nr. 4 nicht gefallen und ich suche auch noch nach Partnern für die Verwirklichung. Aber mit einem Traum hat es auch bei jedem meiner drei Soloalben begonnen.
Mehr Informationen gibt es unter DIE TASTENFLÜSTERIN.
Bilder / Copyrights: Hauke Kranz