Donnerstag, 21. November, 2024

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Glasperlenmacherin Melanie Moertel: “Neue Ideen sind genau mein Ding!”

Als Glasperlenmacherin hat Melanie Moertel (im Bild) einen DER kreativen Berufe schlechthin. Aber: Die Beschreibungen für solche Jobs fand sie abschreckend. Deshalb nahm sie von ihrem Wunsch, kreativ zu arbeiten als Berufsanfängerin erst einmal Abstand. Stattdessen stellte sie sich eher unmotiviert in einer Werbeagentur vor und absolvierte dort ein Praktikum. Später schloss sie eine Ausbildung zur Graphik-Designerin ab und ist somit doch noch in einem kreativen Bereich gelandet.

Doch dieser Beruf war auf Dauer nichts für Melanie Moertel, deren Großeltern im Geigenbau tätig waren und in ihr das Interesse am Handwerk weckten. Durch ihre Vorliebe für auffälligen Schmuck stieß sie irgendwann auf den Beruf der Perlenmacherin und wurde nur wenige Jahre später selber eine.

Kreative Glasperlenmacherin arbeitet von Leipzig aus

Heute arbeitet sie künstlerisch in Leipzig und stellt für nationale und internationale Kunden außergewöhnlichen Perlenschmuck her. Wir haben die kreative Frau interviewt:

GlasperlenschmuckFB: Frau Moertel, Sie leben und arbeiten seit 2013 in Leipzig, eine sehr gehypte Stadt. Bei Ihnen allerdings war weniger die Leipzig-Hysterie der Grund nach Sachsen zu kommen, sondern Sie wollten ihre Lebenssituation ganz konkret ändern und einen neuen Schritt wagen. Erzählen Sie doch mal!

Ich habe vorher 12 Jahre lang im schönen Bamberg gewohnt, war dort jedoch eher unfreiwillig gelandet und bin trotz der vielen Jahren dort nicht heimisch geworden. Aufgrund meiner Selbstständigkeit gab es leider auch kein Jobangebot, was mich von dort hätte weglocken können, so dass ich letztlich einfach geblieben bin, obwohl mir bewusst war, dass ich lieber wo anders wohnen würde. Eines Tages wurde der innere Druck jedoch groß genug um endlich Nägel mit Köpfen zu machen und Bamberg zu verlassen.

Dass es Leipzig geworden ist, war eher spontan und den damals noch halbwegs günstigen Mietpreisen geschuldet.

Durch die Großeltern war der Bezug zum Handwerk da

Ich denke, ich hatte Glück dass ich noch zu Beginn des Hypes nach Leipzig gezogen bin.

FB: Ihre Großeltern waren Geigenbauer – ein schönes und traditionelles Handwerk. Wurde Ihnen durch das familiäre Umfeld das Händchen für ein Handwerk in die Wiege gelegt?

Ja, ich denke schon! Von klein an habe ich in der Werkstatt meiner Großeltern „mitgeholfen“ und war immer von Holz, Spähnen, Leim und Gehämmer umgeben. Auch wenn mich das Material Holz nie im gestalterischen Sinne angezogen hat, so habe ich dadurch sicherlich ganz automatisch einen Bezug zum Handwerk bekommen.

FB: Sie absolvierten eine Ausbildung zur Graphik-Designerin und haben somit einen sehr kreativen Beruf ergriffen. Was reizte sie daran?

In der Ausbildung zur Graphik-Designerin lag erstmal kein großer Reiz, es war eher das kleinste Übel. Ich bin ja in einer Zeit vor Google & Co groß geworden und so musste ich damals noch ins BIZ (Berufs-Informations-Zentrum) gehen, um heraus zu finden, was aus mir mal werden könnte. 

Unmotiviert ging es vorerst in eine Werbeagentur

Ich wusste immer, ich möchte kreativ arbeiten. Aber sobald man im BIZ die Leitz-Ordner geöffnet hatte, um sich in die kreativen Berufs einzulesen, klang alles ganz furchtbar und eher abschreckend. Meine Großeltern haben mir damals nach dem Abitur jedoch deutlich zu verstehen gegeben, dass ich mir möglichst zeitnah ein Berufsziel überlegen sollte.

Daraufhin habe ich die „Gelben Seiten“ aufgeschlagen, unmotiviert eine einzige Werbeangentur angeschrieben und dort sofort einen einjährigen Praktikumsplatz inklusive einem kleinen Gehalt bekommen. Nach dem Jahr Praktikum habe ich dort meine Ausbildung begonnen und abgeschlossen. 

FB: Irgendwann im Agenturen-Alltag kam bei Ihnen der Wunsch auf, mit Glas zu arbeiten. Wie kam es zu Ihrem Interesse für diesen Feststoff?

Die erste Werbeagentur, in der ich damals mehr durch Zufall gelandet bin, war ein ganz toller Arbeitsplatz und hat mir viel Freude bereitet. Damals haben wir auch Schaufensterbeschriftungen gemacht (also auch handwerklich gearbeitet), wir waren ein kleines und junges Team mit einer flippigen, kunst-interessierten Chefin. Hätte meine Chefin die Agentur nicht aus familiären Gründen schließen müssen, würde ich da vermutlich heute noch arbeiten.

Privat eine Vorliebe für auffälligen Glasschmuck

Es kam aber anders und ich bin in zwei anderen Agenturen gelandet und war somit im „normalen“ Berufsleben angekommen, inklusive Zeitdruck und eher unkreativen Kunden. Es ging häufig um scharz-weiß Anzeigen für Autohäuser oder Einkaufszentren. Da ist zu viel Kreativität eher hinderlich.

Glasperle an KettePrivat habe ich zu dieser Zeit gerne auffälligen Schmuck getragen, auch Glasschmuck. Aus Mangel an einer wirklichen Auswahl habe ich die klassischen Glasringe, die man von Muranoglas so kennt, getragen. Richtig schön fand ich die nicht, aber so sah Glas eben damals aus. Ich dachte mir, das könne man morderner machen! Daher habe ich mich im Internet auf die Suche danach gemacht und bin so auf den Beruf der Perlenmacherin gestoßen.

FB: Legten Sie dann gleich als Glaskünstlerin los?

Erst Jahre später habe ich diesen Traum, selbst Glasschmuck zu kreiiren, in die Tat umgesetzt. Ich hatte mich nur oberflächlich mit der Thematik beschäftigt, da für mich eigentlich immer klar war, Glas kann nur in Glasbläsereien mit großen Öfen und offenem großen Feuer verarbeitet werden. Dass das im Perlenbereich auch in Heimarbeit möglich ist, war mir damals nicht bekannt.

20jähriges Jubiläum als Glasperlenmacherin in 2023

2003 habe ich mich endlich intensiv damit auseinander gesetzt, das Glasperlenmachen zu erlernen, und im Oktober 2023 feiere ich dieses Jahr mein 20jährigens Jubiläum als Glaskünstlerin!

FB: Hatten Sie eine spezielle Schmuckart, die Sie herstellen wollten, vor Augen?  

Damals war ich vor allem an der Herstellung von Glasringen interessiert und habe dies auch einige Zeit lang gemacht – bis zur ersten Sehnenscheidenentzündung. Die hat mich gelehrt, besser auf kleinere Objekte umzusteigen. Heute mache ich wieder Ringe, aber nach einer ganz anderen Technik.

FB: Wie gestaltete sich Ihre erste Zeit in diesem Metier?

Eigentlich war alles ein Selbstläufer. Ich hatte sehr schnell eine Kooperation mit einem lokalen Goldschmied, die mir zwar nicht viel Geld aber doch das nötige Selbstvertrauen gegeben hat. Dazu kamen lokale Weihnachtsmärkte und damit ein wachsender Kundenstamm. Übers Internet habe ich bald international verkauft.

Vorstellung neuester Kreationen für amerikanische Interessenten

Eine Webseite konnte ich mir aufgrund meiner Ausbildung selbst gestalten, genauso wie Visitenkarten und Werbeflyer.

FB: Wie arbeiteten Sie auf dem internationalen Parkett? 

Armband aus GlasperlenZu der damaligen Zeit war es üblich, Glasperlen über das amerikanische Ebay anzubieten, sich also direkt unter die amerikanischen Perlenkünstler zu mischen, denn dort war der Trend damals weltweit am größten. So haben sich Perlenmacher aus allen Regionen an einem Ort im Internet versammelt und gegenseitig die neusten Kreationen begutachtet und gekauft. Mein Glück war es wohl, dass ich von Anfang an intuitiv einige Designs gemacht hab, die man eher als graphisch bezeichnen würde, was zu der damaligen Zeit im Glasperlenbereich neu war.

2008 bin ich das erste Mal in die USA gereist, um dort meine Perlenkunst an einer Glasfachschule zu unterrichten.

FB: In Deutschland haben Sie viele Glas-Events gemacht. Was muss man sich darunter vorstellen?

Von Anfang 2013 bis Ende 2015 habe ich freischaffend im Auftrag einer dänischen Schmuckmarke Glasperlen im Ladengeschäft von Goldschmieden und Juwelieren hergestellt.

Vor Ort bei Werbeaktionen bei Goldschmieden

Das kann man sich so vorstellen, dass beispielsweise ein Goldschmied aus Bremen mich für den nächsten verkaufsoffenen Sonntag gebucht hat.

Ich bin dann zu dem vereinbarten Termin mit meinem Auto hingefahren und habe meine mobile Werkstatt in Form eines Tisches, meiner Gerätschaften, und dem Glas mitgebracht und aufgebaut. Der Goldschmied hat seine Stammkunden an dem Tag in seinen Laden eingeladen, Sekt und Häppchen ausgeschenkt und die Kunden konnten mir 4 Stunden lang bei der Perlenherstellung zusehen und mir ganz viele Fragen stellen.

Anschließend wurden die Perlen unter den Besuchern verlost. Sinn der Veranstaltung war es, den Kunden zu zeigen, wieviel Handarbeit in einer einzigen Glasperle steckt.

Ich habe diese Vorführungen 3 Jahre lang deutschlandweit, hauptsächlich an den Wochenenden und verlängerten Wochenenden, durchgeführt. Ich habe die Zusammenarbeit letztlich beendet, da ich merkte, dass ich mir so keinen neuen Freundeskreis in Leipzig aufbauen kann, da ich immer gerabeitet habe, wenn andere Leute frei hatten.

Außerdem fahre ich auch äußerst ungern Auto.

FB: Sie arbeiten in einem Heimatelier. Wie sieht ein typischer Arbeitstag bei Ihnen aus?

Typischerweise frühstücke ich erst einmal mit meinem Mann gemeinsam, denn der ist auch im Homeoffice tätig. Danach gehen wir jeder in sein Arbeitszimmer und arbeiten ganz diszipliniert vor uns hin.

Im Alltag gibt es keinen typischen Arbeitsablauf

Bei mir stehen grundsätzlich Tätigkeiten wie Bestellungen verpacken, Perlen herstellen, Perlen reinigen, Perlen fotografieren, Instagram & Co, E-Mails beantworten, Glas nachbestellen, Werbeanzeigen planen, Buchhaltung, Steuer und so weiter und so fort, an.

GlasperlenschmuckDiese Aktivitäteten werden immer nach Bedarf eingeplant, einen typischen Ablauf gibt es nicht. Wobei ich Bestellungen am liebsten morgens verpacke. Eine kleine Sporteinheit sollte auch tatsgüber eingeplant werden, denn Abends bin ich dafür in der Regel zu müde.

Ach ja, und ich male auch. Diese Tätigkeit findet ebenso in meinem Arbeitszimmer statt. Es kann also gut sein, dass ich mal zwischen dem Perlen machen eine kleine Auszeit an der Leinwand nehme. Und ganz neu ist der Vorsatz, mir einmal in der Woche eine freien Nachmittag alleine in der Natur zu gönnen.

Eine adäquate Work-/Life-Balance ist wichtig

Hintergrund ist der, dass ich gerade zu Beginn dieses Jahres stark überarbeitet war und an meine Belastungsgrenzen gekommen bin. In einem Podcast habe ich dann gehört, dass der Erholungseffekt von Urlaub nicht lange anhält und es vielmehr wichtig ist, sich regelmäßig Pausen zu gönnen. Daran arbeite ich gerade.

FB: Gibt es in Ihrem künstlerischen Schaffen einen Part, der Ihnen besonders gut gefällt?

GlasperlenIch bin schon immer gut darin gewesen, Neues zu erschaffen. Auch damals in der Werbeagentur war es mir am liebsten, ein neues Logo zu kreiieren, als mit dem vorhandenen etwas zu gestalten.

Neue Ideen umzusetzen und am Feinschliff zu tüfteln, das ist genau mein Ding. Aber ich bin bemüht, dies nicht allzu sehr eskalieren zu lassen, denn die Kunden mögen Beständigkeit.

FB: Der Großteil Ihrer Kundschaft sind Frauen. Bekommen Sie mit, zu welchen Anlässen diese sich Ihren Schmuck gönnen? Und: Was läuft am besten?

Ich bekomme es insofern mit, dass Kundinnen mir manchmal schreiben, wenn sie es sich selbst zum Geburtstag gegönnt haben. Erstaunlicherweise ist bei mir der Januar und Februar auch immer stärker als der Dezember.

Ich erkläre es mir so, dass die Kundinnen vielleicht auf ein schönes Schmuckstück an Weihnachten gehofft hatten, es aber nicht bekommen haben; dann gönnen Sie es sich einfach einen Monat später selbst. Ist aber reine Theorie! Am besten laufen eigentlich immer Ohrringe, aber auch meine Murmelperlenanhänger mit Silberöse sind sehr gefragte Unikate!

Bildnachweis: Melanie Moertel
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