Agieren mit der Gießkanne oder gezielte Entlastung der Bürger? Kritiker sehen das neue Entlastungspaket der Bundesregierung eher als Ersteres. Die für eine Milliardensumme geschnürten Maßnahmen sollen den explodierenden Preisen im Alltag begegnen, doch vieles wird gar nicht berücksichtigt.
Zunächst ein Auszug aus jenen Punkten, die Entlastung bringen.
Wer bekommt vom Entlastungspaket was?
Wenn auch fraglich ist, ob das Geld dann auch tatsächlich umfangreiche (Nach)Zahlungen abmildert:
- Studenten: Bekommen 200 €, die als Energiegeld gedacht sind
- Um 18 Euro monatlich erhöht sich das Kindergeld beim ersten und zweiten Kind
- Einen Heizkostenzuschuss gibt es für Wohngeldempfänger (Singles 415 Euro, zwei Personen 540 und für jede zusätzliche Person zusätzliche 100 Euro)
- Der Satz für Hartz-IV-Empfänger heißt ab 1. Januar 2023 „Bürgergeld“ und bringt im Monat circa 50 Euro mehr Geld im Portemonnaie
- In der Steuererklärung wird die Werbekosten-Pauschale auf 1200 Euro (bislang: 1000 Euro) angehoben
- Zusätzliche Zahlungen von Arbeitgebern an ihre Beschäftigten sollen bis 3000 Euro steuerfrei sein
- Auf 38 Cent wird die Entfernungspauschale für Fernpendler erhöht – ab dem 21. Kilometer
- Als Nachfolge für das 9-Euro-Ticket kommt in ganz Deutschland ein Nahverkehrsticket für 49 bis 69 Euro/Monat.
Beim genaueren Hinsehen entpuppt sich das Entlastungspaket allerdings als sehr unzureichend. Denn: Die hohen Heiz- und Stromkosten dürften davon mitnichten vom Tisch sein. Im Gegenteil: Das Thema Heizkosten (Gasabschlag, Gasumlage) wurde gar nicht konkret angegangen. Das Energiegeld, das ausgereicht wird, dürfte bei vielen Leuten gerade mal eine Monatsrechnung entlasten.
Aktuelle Gasbescheide kommen mit Mondpreisen daher
Denn aktuell werden allerorten Bescheide für den monatlichen Gasabschlag verschickt, die -zigfach erhöhte Preise beinhalten.
Klar, wer Sozialleistungen vom Amt bezieht, dem werden die Heizkosten zum Großteil – aber auch längst nicht alle… – übernommen. Das ist schon mal was, denn die 50 € mehr, die es ab 1. Januar 2023 zum “Bürgergeld” (Nachfolge von Hartz-IV) gibt, machen im Alltagskosten-Wahnsinn auch nur einen Tropfen auf den heißen Stein aus.
Ein- und Zwei-Elternfamilien jedoch, die arbeiten gehen und kein Hartz-IV-Anspruch haben und womöglich auch beim Wohngeld außen vor sind, müssen weiterhin die Preisexplosion in nahezu allen Bereichen stemmen. Und: Welcher Arbeitgeber kann Zahlungen bis zu 3000 € an die Arbeitnehmer ausreichen? Zumal vor dem Hintergrund, dass aktuell gerade viele, viele Mittelständler die hohen Energiekosten nicht mehr tragen können und schließen oder/und ins Ausland abwandern.
Auch diese Gruppe wurde im Entlastungspaket nicht berücksichtigt und wird weiterhin mit astronomischen Heiz-, Strom- und Spritkosten konfrontiert. Hier dürften zudem etliche Familien dabei sein, die ein kleines bis mittleres Gewerbe führen und aktuell kaum mehr wissen, wie es weitergehen soll.
“Strompreisbremse” ist aktuell nur eine Idee
Apropos Strom: Mit einer „Strompreisbremse“ sollen die Kosten sämtlicher Haushalte gesenkt werden. Die Idee: Ein „Basisverbrauch“ soll Haushalten bald zu einem vergünstigten Preis gutgeschrieben werden. Allerdings spielen hier noch EU-Modalitäten mit rein, es kräht der Amtsschimmel und wie lange eine “Idee” in Regierungskreisen bearbeitet werden kann, ist bekannt. Zu nebulös das Ganze!
Kurzum: Ein- und Zwei-Elternfamilien, so sie zur arbeitenden Personengruppe gehören, werden kaum entlastet. Weder gab es eine Entscheidung zur Reduzierung der Gaspreise, noch eine zum Stopp der Gasumlage oder der Reduzierung der Energiekosten. Auch beim Sprit tat sich nichts, so dass Leute, die kein vergünstigtes Nahverkehrsticket nutzen können (das mit 49 bis 69 € eigentlich auch überhaupt nicht mehr günstig ist, vor allem für Leute, die dieses Geld monatlich stemmen müssen…) auch weiterhin horrende Preise an der Zapfsäule zahlen müssen.
Ausgespart wurden auch Freiberufliche und Selbständige. Auch unter diesen Bürgern gibt es eine Menge Eltern, die nun einmal mehr nicht berücksichtigt wurden.
Dementsprechend ist die Stimmung im Land. Abzulesen auch beim Kurznachrichtendienst Twitter, der im Großen und Ganzen sonst zwar keine Realitäten im gesamten Land widerspiegelt, sondern eher eine Blase von Medienleuten ist, aber diesmal ganz interessante Reaktionen zum Entlastungspaket zutage fördert.
Entsprechende Reaktionen in den sozialen Netzwerken
Unter den Hashtags “Einkommen”, “IchbinArmutsBetroffen”, “Entlastungspaket” sowie “Strom” geht seit gestern Abend erwartungsgemäß die Post ab und vor allem Leute mit mittlerem Einkommen – und eben Mittelständler – machen ihrem Unmut Luft.
So schreibt User Patrick L. Schunn:
“Das gesamte Paket ist eine dauerhafte Ausweitung des Sozialstaats und kommt vor allem kleinen Einkommen bzw Leistungsbeziehern zu Gute. Mittlere Einkommen/Selbstständige kommen da recht schlecht weg. Von staatl Preispolitik will ich gar nicht erst anfangen.”
Ein weiterer Twitter-Nutzer namens “Interspektral” schreibt:
“Gerade die Leistungsträger unserer Gesellschaft dürfen ihr hoch versteuertes Einkommen nicht wegen der Politik unserer Regierung an die Inflation und explodierende Enegriepreise verlieren! Wir brauchen dringend bezahlbare Energie!”
Und Nutzer Samad twittert:
“ich profitiere nicht. #IchBinArmutsbetroffen 50€ mehr ist nicht mal ein inflationsausgleich. 60€ für das 9€ Ticket… und der regelsatz sieht 40€ für den verkehr vor !!! das ist ein witz!!!”
So oder so: Das Entlastungspaket dürfte die Erwartungen nicht erfüllt haben – zu hoch sind aktuell die galoppierenden Preise in allen Alltagsbereichen.
Ein- und Zwei-Elternfamilien haben es weiterhin schwer
Ein- und Zwei-Elternfamilien, die arbeiten gehen, haben es weiterhin sehr schwer. Ebensowenig wird das bißchen mehr Geld, das Leute in realer Armut als Sozialleistungen von Ämtern bekommen, ausreichen, um nur die nötigste Teilhabe am gesellschaftlichen Leben realisieren zu können.
Insofern: Das Ganze ist eher Flop als top!
Quelle:
bild.de vom 4. September 2022, twitter.com
Bild: pexels.com / pixabay