Spielzeug, das erst heiß ersehnt und nach kurzer Zeit langweilig geworden ist – davon können wohl die meisten Eltern oder Großeltern berichten. In vielen Kinderzimmern wimmelt es heute von Figuren, Bausteinen oder Stecksystemen namhafter Marken, aber oftmals fehlt diesen Dingen der Langzeiteffekt.
Das heißt, dass nicht selten das Spielzeug schon nach kurzer Zeit unbeachtet in der Ecke oder im Regal im Kinderzimmer verstaubt. Hinzu kommt: während diese Teile das Interesse der Kinder nicht mehr wirklich wecken können, werden parallel dazu schon wieder neue Begehrlichkeiten geweckt – sei es beim Einkaufen, durch Freunde oder durch die Werbung.
Es gibt ja für Eltern kaum mehr ein Bereich des öffentlichen Lebens, in dem sie nicht mit Einhörnern oder Elsa und Anna konfrontiert werden! Der „Haben-wollen“-Modus wird von der Spielzeugindustrie mehr als geschickt bei den Kleinen aktiviert – das Resultat ist zumeist Überfluss, Unnützigkeit und eben auch Abfall. Selbst wenn benutztes Spielzeug von engagierten Eltern an Vereine oder finanziell benachteiligte Familien gespendet wird – irgendwann hat jedes Spielzeug ausgedient und der Nachschub läuft ununterbrochen auf Hochtouren. Da muss man nur eins und eins zusammenzählen, um zu erahnen, was das auf Dauer mit der Umwelt macht, zumal vor dem Hintergrund, dass eine Menge Spielzeug mit fragwürdigen Inhaltsstoffen aufwartet.
Um diesem Wahnsinn zu begegnen, haben drei Frauen, allesamt Mütter, auf diese Situation reagiert und sich ihre eigenen Gedanken zum Überfluss im Kinderzimmer gemacht. Herausgekommen ist eine einzigartige und innovative Idee, die bald schon – als fertiges Produkt – in viele neugierige Kinderhände gelangen soll: Pappka, die faltbare Spielewelt, die auch in Sachen Nachhaltigkeit von sich reden macht. Martina Musek, Cordula Hundrieser und Antje Stumpe (im Bild von links nach rechts) sind die kreativen Köpfe hinter dem Start-up Pappka.de aus Leipzig.
Im Interview erklärt Antje, wie es zu der Idee kam und wie die ausgefallene Spielewelt schon bald bei interessierten Familien Einzug halten soll.
FB: Antje – das Team hinter pappka.de besteht komplett aus Müttern. Wie kam es dazu, dass ihr drei Mamas ein Start-up für kreative und umweltschonende Spielwelten gegründet habt?
Vor drei Jahren bin ich auf Martina Musek über die Kunsthochschule Burg Giebichenstein in Halle gestoßen. Wir haben dort studiert. Ich studierte dort Kommunikationsdesign und Martina studiert dort Lern- und Spieldesign – ja, so einen Studienzweig gibt es wirklich.
Sie suchte eine visuelle Gestalterin für ihre faltbaren Spielwelten, die aus einem Semesterprojekt heraus entstanden sind. So kamen wir zusammen. Seither kümmere ich mich um den ganzen Markenaufbau der Spielwelten, jeder Buchstabe, jedes Zeichen, jede Farbe, jedes Foto und jede Videosequenz wird von mir genaustens überlegt und wie ein Puzzle zu einem großen und ganzen Erscheinungsbild zusammengefügt.
Am Ende ist ja nicht nur die Idee entscheidend, sondern auch, ob PAPPKA® als Marke stark genug ist. Beides muss stimmen.
Martina entwickelt also das Produkt, angefangen von den ausgeklügelten Falttechniken, bis hin zur Materialwahl, über Laser-und Plottertests der Ideen und ich gebe dem Ganzen dann eine visuelle Erscheinung. Und dann ist Cordula Hundrieser zu uns ins Team gekommen, eigentlich im passendsten Moment, den man sich vorstellen kann, denn der Bauernhof der Spielwelten war soweit fertig, um in die Welt hinausgetragen werden zu können. Da wir beiden Designerinnen aber eher scheue Rehe sind, ist Cordula die perfekte Ergänzung.
Cordula ist unser heißer Draht nach außen. Sie erstellt das Vertriebskonzept, kümmert sich um die Kalkulationen, bereitet die Wege vor, damit PAPPKA® in den Handel kommen kann. Marketing und Sales ist ihr Schwerpunkt. Wir drei zusammen sind ein starkes Team. Jede bringt sich voller Liebe, Leidenschaft und mit viel Herzblut ein. Jede tickt ein wenig anders, aber am Ende sind es die Synergien, die uns voranbringen. Zu dritt haben wir dreimal mehr Energie, als wenn wir allein wären. Das ist großartig. Es macht wirklich Spaß, als Frauenpowerteam die Idee der faltbaren Spielwelten gemeinsam voranzutreiben.
FB: Was genau steckt hinter dem Konzept von Pappka.de?
PAPPKA® hat mehrere konzeptionelle Ansätze. Zum einen das ausgetüftelte Spielkonzept: unsere Spielwelten sind Gestaltungs,- Rollen,- und Konstruktionspiel in einem. Außerdem vereint es Pop-up und Papercraft miteinander, also die Idee, etwas wird geöffnet und klappt sich dann auf, kombiniert mit der Idee des Modelbastelbogens. Hier ist für die Entstehung eines dreidimensonalen Objektes stabileres Material im Einsatz als aus Karton. Man kennt ja Pop-up Bücher, die sind so filigran, dass die Kinder sie nicht betätigen dürfen, aus Angst, dass die feinen Schieber und Klappen einreißen und kaputt gehen. Mit unseren Spielwelten aber sollen die Kinder auch spielen können. Bis zu 1.000 mal können die Klappen unbeschadet auf,- und zugeklappt werden.
Dann ist ein großer Schwerpunkt das Umweltkonzept: Wir haben uns überlegt, dass die Umverpackung gleich Teil des Spieles sein kann, um auch hier Rücksicht auf die Umwelt nehmen zu können. Das ganze Produkt besteht aus Materialien, die in ihre technischen und biologischen Kreisläufe zurückgeführt werden können. Außerdem lassen sich die Buchdecken entnehmen, so dass man, wenn man möchte, die nächste Spielwelt einsetzen kann, in dem Fall z.B., dass das Bauernhofhäuschen nicht mehr interessant ist und das Kind jetzt lieber mit der Ritterburg spielen möchte. Das schont nicht nur die Umwelt, sondern auch den Geldbeutel. Die Buchdecken können also immer wieder verwendet werden. Und das ganz Besondere und innovative an unserer Erfindung ist, dass sich die Spielfläche auf 2 cm zusammenklappen lässt und einfach wie ein Buch im Bücherregal verstaut werden kann. So kann man in Sekundenschnelle im Kinderzimmer aufräumen und Platz schaffen. Genauso schnell kann man aber auch wieder in das Spiel einsteigen. Wir wissen aus eigener Erfahrung unserer Kinder, dass die Spielzeuge, die offensichtlich im Kinderzimmer stehen, wie Puppenstuben, Parkhäuser, Ritterburegn ect., am Ende nur einstauben und schnell zu langweilig werden. Was aber immer wieder neu aus dem Schrank geholt werden kann, bleibt interessant.
FB: Habt ihr eure Idee im Vorfeld durch kleine Erdenbürger testen lassen? Wenn ja, auf welche Art und wie haben die Kinder diese außergewöhnliche Idee für`s Kinderzimmer angenommen?
Ja, wir haben den Proof of Concept durchgeführt, indem wir eine Nullserie von 200 Exemplaren hergestellt haben und sie in sieben Kindergärten in Leipzig mit 365 Kindern getestet haben. Wir haben Kurzzeittests durchgeführt und Langzeittests. Bei den Kurzzeittests haben wir die Kinder beobachtet, wie sie mit den Spielzeugen umgegangen sind, wie sie den Aufbau bewältigt haben, ihre Eindrücke und Ideen haben wir notiert. Ganz oft waren die Kinder freudig überrascht, dass aus einem Buchobjekt plötzlich ein Spielhaus entstehen kann. Einige wollten auch wissen, warum wir es auch Pappe herstellen und nicht aus Plastik. Und die meisten haben sich total gefreut, dass sie es nun auch noch gestalten dürfen. Mit Schere, Leim und Farben sind sie beherzt umgegangen. Nach 4 Wochen haben wir die Häuser wieder eingesammelt. Die waren schön bunt und alle verschieden. Das war der Härtetest: alle Spielwelten waren noch ganz. Außerdem haben wir eine deutschlandweite Verlosung stattfinden lassen und die Spielwelten an 60 Familien gesendet, um wertvolles Feedback zu erhalten. Daraufhin konnten wir die Spielwelten noch optimieren und kleine Details verbessern.
FB: Was in Sachen Kreativität und Spiel in Kinderhände gelangen soll, muss stabil sein. Wie habt ihr das mit dem Material, dem Karton, gelöst?
Wir haben ein nachhaltiges Material gesucht, was sich 1. gut falzen lassen muss, 2. reißfest sein sollte und 3. nicht schadstoffbelastet sein darf. Für 3. fielen dann schon mal alle Recyclingkartonagen weg, weil man nie zu 100% sagen kann, dass sie frei von Schwermetallen sind. Das war sehr schade, da wir hierfür eigentlich ganz tolle, farbige Kartonagen aus Recyclingprozessen vorgesehen hatten. Für 1. eignen sich auch keine Recyclingfasern, da diese zu kurz sind und daher an den Falzen zu schnell brechen. Deshalb eignen sich nur Materialien, die lange, frische Fasern haben. Und um 2. bedienen zu können, kommen nur sog. Kraftliner in Frage. Da haben wir uns ein schwed. Unternehmen als Partner gesucht, die in erster Linie Waldbauern sind und ihre Wälder nachhaltig nach FSC-Standards bewirtschaften und ihr Unternehmen nach ISO-Standards führen. Sie nutzen zu fast 100% Biokraftstoffe und versorgen mehrere 10.000 Haushalte mit Abwärme. Man kennt das Material übrigens von Biersixpacks, die werden mit Kraftkarton als tragbare Banderole zusammengehalten. Und durch unsere ausgetüftelten Stabilisierungsmechanismen werden die Spielwelten wirklich stabil.
FB: Welche Vorteile bietet Pappka denjenigen, die die von euch entworfenen Spielwelten zukünftig kaufen sollen, den Mamas und Papas?
Also man muss sich jetzt zum Beispiel keinen Schleich-Plastik-Pferdehof mehr ins Kinderzimmer stellen, wenn die Pferde der Kinder ein Dach über den Kopf brauchen. Oder wenn die Brioeisenbahn einen Lokschuppen benötigt. Oder wenn die ganzen Fillypferde und Einhörner zur Schule gehen sollen.
Unser Bauernhof ist ein vielfältig einsetzbares Objekt, was die Kinder so nutzen können, wie sie es möchten. Und wenn fertig gespielt ist, klappt man ihn zusammen und schwups ist Ordnung im Kinderzimmer. Die PAPPKA-Spielwelten lassen sich gestalten.
Viele Kinder freuen sich darüber, dass aus einem Haus ihr eigenes, persönliches Haus wird, so wie sie es wollen. Manche malen es stundenlang an und haben viele Ergänzungsideen: z.B. mit getrockneten Blumen bekleben, Stroh im Dachstuhl einfüllen, aus Ahornnasen Dachschindeln werden lassen, eigene Dinge entwerfen, die noch fehlen. Zum Beispiel das Mobiliar für Innen oder ein Bauer. Der wird dann gemalt, auf feste Pappe geklebt und nun muss man sich noch Gedanken machen, wie der eigentlich stehen kann.
Der Vorteil also ist, das Kind kommt in die kreative Beschäftigung. Erlebt, wie aus einer Fläche ein Objekt wird. Ergänzt, hat Ideen, die Feinmotorik wird gefördert, die Fantasie wird angeregt. Letztendlich auch das Rollenspiel. Die Kinder nutzen alles, was es gibt in ihrem Kinderzimmer. Und sie spielen Situationen nach, die sie beschäftigen. Der Bauernhof kann auch dazu einladen, die Kinder auf Themen zu sensibilisieren, z.B. Nutztierhaltung, Lebenshof für gerettete Tiere… man kann auch schwierige Themen besprechen, bespielen, warum hält er Mensch Schweine? Was bedeutet das für die Tiere. Sie sind ja nicht alle nur zum Streicheln da. Diese sensiblen Themen können die Eltern durchaus mit ihren Kindern gemeinsam angehen.
Und natürlich, ein Vorteil liegt auf der Hand: PAPPKA passt in jeden Rucksack und in jedes noch so vollgestopfte Auto. Es kann auf Reisen mitgenommen werden. An Orte, wo es Wartesituationen gibt: zum Arzt, ins Restaurant. Ein schöner Zeitvertreib.
FB: Nachhaltigkeit und Recycling – das sind Themen, die euch wichtig sind, auch und gerade im Zusammenhang mit eurer Geschäftsidee. Nun ist aber nicht jedes Material, das recycelt werden kann, gut für Kinder. Erzähl doch hierüber bitte einmal mehr und berichte gern auch, wie ihr diesen Anspruch in Einklang mit eurem Produkt gebracht habt.
Nachhaltig heißt für uns, dass das Hauptmaterial, also der Karton aus einem nachwachsenden Rohstoff besteht. Für einen gefällten Baum, werden drei neue gepflanzt. Die Ressource ist also nicht endlich und irgendwann aufgebraucht. Außerdem kann unser Produkt in seine Einzelteile zerlegt werden, die Materialien können in ihre technischen und biologischen Kreisläufe zurückgeführt werden.
Heißt konkret: ist PAPPKA ausgespielt, legt man es ins Altpapier. Zuvor schraubt man die Buchschrauben ab, aus denen lässt sich wieder was machen, z.B. eine selbstgebaute Uhr zum Üben der Uhrzeit. Auch die beiden Rundgummis können weiterhin genutzt werden. Dadurch, dass wir dem Papierrecycling neue, frische Fasern zuführen, bleibt der Wiederverwertungsprozess bestehen, denn der funktioniert nur, wenn immer wieder frische Fasern hinzukommen, sonst verkürzen sich die Fasern im Fasernbrei so sehr, dass sich kein Papier mehr herstellen lässt. Recycling aus Recyclingfasern ist nur endlich möglich. Dass aus Recyclingmaterialien Schwermetalle migrieren können, hatte ich ja schon gesagt. Kein Mensch möchte, dass sein Kind mit belasteten Materialien spielt.
FB: Wie eingangs erwähnt, habt ihr alle Nachwuchs. Wie gestaltet ihr die Herausforderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf – gerade in Anbetracht der Tatsache, dass man (Frau) ja gerade beim Geschäftsaufbau unglaublich powern muss?
Wir haben alle Männer, die nicht arbeiten und sich zu 100% um die Kinder kümmern. Ha,ha. Das war ein Witz! Nein, wir sind ganz normale Familien: jedes Elternteil bringt sich ein. Wir Frauen schaffen Haushalt, Kinder und Business per Spagat und kreativen Arbeitszeiten. Heißt: Kernarbeitszeit.
Wenn alle Kinder im Kindergarten und in der Schule gut angekommen sind und bevor man sie alle wieder einsammelt. Also von 9.00 Uhr bis 15.00 Uhr. Dann sind wir erst einmal hauptberuflich Mama und verbringen unsere Freizeit mit den Kindern. Abends, wenn alle schlafen und träumen, geht’s weiter. Oft bis weit nach Mitternacht. Also mir geht das so, da ist endlich Ruhe eingekehrt, in der Stille der Nacht kann ich besonders gut denken und mich konzentrieren. Ich habe den Vorteil, nicht viel Schlafbedarf zu haben. Ein weiterer Vorteil ist, wir wissen alle, wie das ist: heute hat das eine Kind Fieber, morgen hat der Kindergarten zu, weil pädagogischer Tag ist, übermorgen hat man noch den einzigen Zahnarzttermin ergattert, den es kurzfristig vormittags noch gab, weil plötzlich Karies im Milchzahn hockt… ständig ist irgendwas Ungeplantes los. Wir haben alle Verständnis für diese Situationen „Mütter“ zu sein und keine nimmt es der anderen krumm, weil sie los muss, um ihr Kind zu versorgen.
Diese Flexibilität und dieses Verständnis sind Gold wert. Denn so können wir es schaffen, auch ohne, dass unsere Kinder uns irgendwann einmal siezen. Wenn wir es nicht übertreiben mit schlaflosen Nächten, dann ist das ein guter Weg: da sein für die Kinder und genügend Zeit für das Business zu haben. Wirklich, nicht selten haben wir Skype-Termine nachts halb 10.
FB: Bislang hat es sich gelohnt, dass ihr euer ganzes Herzblut in Pappka.de steckt – ihr seid ausgezeichnet und auch prämiert worden. Welche Ehre genau wurde euch zuteil?
Wir sind letztes Jahr von der Innovationsplattform futureSAX für den Innovationspreis nominiert wurden: unter die 10 besten innovativsten Gründungsideen hat es PAPPKA® geschafft. Das war eine Ehre, neben Ideen der Automobilbranche und neben Kunststoffideen nominiert zu sein. Außerdem hat uns die Stadt Leipzig ausgezeichnet mit einer Prämie für innovative Gründer. Das war ein gut angelegtes Startgeld.
FB: Was steht aktuell bei euch an und kannst Du auch schon von euren Plänen in Sachen Pappka.de berichten?
Jetzt haben wir ganz erfolgreich unsere Crowdfunding-Kampagne mit 104% des angestrebten Fundingziels erreicht. Juchhu! Das ist ein gutes Gefühl. Und nun müssen wir natürlich in die Produktion einsteigen: Das Material muss angefertigt und bestellt werden, die Stanzen werden gebaut. Drucken, stanzen, konfektionieren… das wird eine straffe Zeit.
Bis Oktober und dann wollen wir lieferfähig sein. Nebenbei wird Martina an der neuen Welt schneiden, falten und kleben, bis wir Markttests durchführen können. Cordula wird die Messen planen, ich werde die Aufbauanleitung gestalten, die Bogenreiter finalisieren, der Handel muss von uns erfahren… es wird nicht langweilig. Wir schaffen alles… in unserem Rhythmus und Tempo. Und das macht Spaß. Es ist unser Traumjob.
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