Einfach so von der Bildfläche verschwinden, wenn sich bereits zart eine Beziehung anbahnt oder die Kennenlernphase intensiv ist – dieses Phänomen nennt sich seit einiger Zeit Ghosting. Das ist aber eigentlich nur ein neumodischer Begriff für die verhasste, alte Funkstille, die viel von sich reden macht, seitdem es das Internet gibt.
Das hat Gründe:
Parallel zum Online-Dating, das sich seit circa zwei Jahrzehnten mehr und mehr im Netz ausbreitet, schossen auch die Zahlen DER Postings in den Weiten des Webs in die Höhe, die von der plötzlichen Funkstille vom Dating-Partner zeugen.
Viele Frauen berichten im Web von fieser Funkstille
Vor allem Frauen sind es, die in Foren anonym über ihre belastenden Erlebnisse mit jemandem, der von heute auf morgen abgetaucht ist, schreiben.
Auf die Suchkette “Funkstille – er meldet sich nicht mehr” spuckt Google zur Stunde allein 269.000 Ergebnisse aus, darunter Medien- wie auch persönliche Erfahrungsberichte.
Auch im Forum einer bekannten Partnerbörse ist dieses Thema häufig präsent.
Generell scheint das plötzliche Verschwinden wohl sowieso eher ein Online-Dating-Ding zu sein, obgleich es natürlich auch eine Menge Männer geben dürfte, die sich auch nach Offline-Dating-Kontakten einfach so aus dem Staub machen. Früher war es das Zigarettenholen, von dem man(n) nicht zurückkehrte, das für Funkstille stand. Oder heutzutage eben für Ghosting.
Das Muster, mit dem Funkstille / Ghosting abläuft, ist eigentlich immer dasselbe. Mann und Frau lernen sich – online – kennen, schreiben sich, whatsappen, telefonieren und treffen sich schließlich. Aus dem einen Date können zwei oder auch mehrere werden, das variiert.
Gemeinsam ist allerdings fast allen “er meldet sich nicht mehr”-Geschichten, dass der Funkstille ein regelrechter Liebes-, Sinnes- oder Sexrausch vorausging. Die Funken flogen, man war verliebt (zumindest die meisten Frauen) und schmiedete bereits gemeinsame Pläne. Dann von jetzt auf gleich die Unerreichbarkeit. Das Unfassbare tritt mit der verhassten Funkstille ein: Der (Dating)Partner taucht komplett ab.
Jede Frau kann es treffen!
Wer nun denkt, eine solche Situation könnte nur naive Frauen ereilen, der irrt, denn: Von Ghosting kann jede, aber auch wirklich jede, Frau betroffen sein.
Aktuell findet sich in der Online-Ausgabe des Magazins der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG der Erfahrungsbericht einer Autorin dieser Zeitung. Sie beschreibt ihr hartes Ghosting-Erlebnis sehr konkret.
Den Anfang des Kennenlernens schildert die besagte Autorin unter anderem so:
“(…)Wenn wir uns nicht sehen, telefonieren wir, stundenlang. Ich erlebe Momente des Glücks, des Schwebens, die mir den Atem rauben, weil ich schon nicht mehr daran geglaubt hatte. Gefühlter Gleichklang.
Die Schmetterlinge sind in Höchstform. Joe auch. Er kommt immer mit einem Lächeln, immer mit Rosen, die er selbst zum Strauß bindet, immer mit neuen Vorhaben, Ideen für uns.
Er spaziert mit mir Hand in Hand durch die Stadt, bekocht mich, tanzt mit mir durch die Wohnung. Wir lachen, wir weinen zusammen, als wir unsere Lebensgeschichten austauschen. In jedem Blick Sehnsucht, in jeder Geste Zuneigung.(…)”
Was so vielversprechend beginnt, endet jäh – mit einer Funkstille.
Die Betroffene beschreibt das folgendermaßen.
“(…) Und dann – Funkstille. Eine Stille, die meine Ohren, mein Herz und mein Hirn betäubt. Ich höre nichts mehr von ihm, weder am nächsten Tag noch an den folgenden. Und ich erreiche ihn nicht, werde blockiert. Auf allen Ebenen. Sein Profil und unser Chat gelöscht. Es ist, als wäre Joe über Nacht zum Geist geworden.
Ich denke an das Lied, in dem er Zigaretten holen geht und nicht wiederkommt, genau so fühlt es sich an. Joe verschwindet schweigend aus meinem Leben, als hätte es ihn nie gegeben. Lediglich sein gewaltiger Rosenstrauß, sein Duft und der seines Hundes verharren noch ein paar Tage als vergängliche Überbleibsel in meiner Wohnung. Mir wird klar: Ich bin ein Ghosting-Opfer.(…)”
Diese bittere Erfahrung steht stellvertretend für Ghosting-Erfahrungen, die viele andere Frauen auch machen müssen – weltweit. Wie hoch die Anzahl der Ghosting-Opfer allein in Deutschland ist, dürfte niemand genau beziffern können. Wer zählt schon Liebeskummer-Betroffene durch? Denn nichts anderes hat man danach: Kummer, Kummer und nochmals Kummer.
Am schlimmsten ist für Frauen, die mit fieser Funkstille konfrontiert sind, wohl die Ungewissheit.
Quälende Fragen nach dem “Warum?”
Mit den quälenden Fragen nach dem “Warum?” lässt sich zudem schwer umgehen. Erschwerend kommt im Zeitalter des Online-Datings außerdem noch dazu, dass so manche beginnende Beziehung / Kennenlernphase von räumlicher Distanz geprägt ist. Nicht selten wohnt SIE etliche Kilometer von IHM entfernt.
Ein kurzes Vorbeischauen (und wenn auch nur von Weitem) ist so oftmals nur schwer möglich. Wer jedoch die Möglichkeit hat und beim Ghoster mal eben klingeln kann, sollte das tun. Am besten in Begleitung einer Freundin oder einem Freund.
Es kann befreiend sein, den einstigen Angebeteten persönlich und Aug in Aug zur Rede zu stellen, auch wenn das erst einmal eine Situation ist, die Mut erfordert und pures Herzklopfen verursacht. Obgleich sich die Ghoster in den meisten Fällen wohl nicht blicken lassen, kann eine Begegnung – wenn sie denn dann doch stattfindet – wichtig für die spätere seelische Verarbeitung sein.
Einer bleibt hilflos zurück
Das persönliche “Zur Rede stellen” von Ghostern dürfte allerdings eher die Ausnahme sein. Vielmehr ist es an der Tagesordnung, dass der andere hilflos zurückbleibt und mit einem quälenden Gedankenkarussell klar kommen muss.
Leider ist dagegen noch kein Kraut gewachsen – lediglich gute Freunde, die Familie oder professionelle Liebeskummer-Experten können hier zur Seite stehen.
Wie aber schützt man sich vor so fiesen Zeitgenossen? Gute Frage! Einen kompletten Schutz vor einer solchen Situation gibt es nicht – das ist nunmal so. Man kann den Menschen eben immer nur VOR den Kopf gucken, mehr nicht.
Einzig auf das Bauchgefühl sollte man hören – selbst wenn sich die Verliebtheits-Situation puderzuckerrosa darstellt.
Auf`s Bauchgefühl hören!
Diese so wichtige Emotion ist gerade im zwischenmenschlichen Bereich ein unverzichtbares Navigationstool. Das freilich mehr als genug überhört wird – weil`s ja gerade so schön ist…
Insofern gilt: Augen auf und Bauchgefühl an. Damit selbst der gerissenste Ghoster keine Chance hat!
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Quelle: sz-magazin.sueddeutsche.de