“Könnten Sie mir das Fahrrad reservieren, mein Mann wird es Montag auf jeden Fall abholen”. Die Stimme der Frau klang bittend und so ließ ich mich darauf ein, ihr das Herrenrad, das ich auf ebay-kleinanzeigen soeben online gestellt hatte, zu reservieren. So wie die Frau mich darum bat, wirkte es, als ob die Familie das Fahrrad wirklich dringend brauchte. Ich hatte es für einen schmalen Taler auf dem Kleinanzeigen-Portal angeboten.
An einem Samstag. Eine Reservierung bis Montag wäre okay. Oder nicht? Das komische Bauchgefühl im Magen nahm ich sehr wohl wahr, als ich das Telefonat mit der Frau beendet hatte. Aber ich ignorierte es.
Abtauchen hat auf ebay-kleinanzeigen mittlerweile Methode
Einmal mehr sollte sich aber dieses wichtige Gefühl bestätigen, denn: Weder kam am nächsten Montag der Mann das Fahrrad abholen, noch hielt die Dame es für nötig, mich anzurufen und abzusagen.
Ich stellte das Rad also wieder online. Und ein paar Tage später auch ein Klamottenpaket. Vier supergut erhaltende Jeans, die dem Nachwuchs nicht mehr passten. Es dauerte keine 24 Stunden und schon war ein Interessent am Start, der gleich einen Abholungstermin mit mir vereinbarte. Die Kommunikation erfolgte an einem Freitag, für den darauffolgenden Montag wurde mir die Abholung der Hosen zugesagt. Direkt bei mir daheim, die Anschrift hatte ich zwischenzeitlich übermittelt. Ich stellte das Jeanspaket also auf “reserviert” und legte alles schon für den Montag bereit.
Eine kurze Absage hält man nicht mehr für nötig
Das Wochenende verging und am Montag erhielt ich auf dem Kleinanzeigen-Portal von dem “Käufer” folgende Nachricht (Rechtschreibung im Original):
“Hallo, guten Tag. Wollte bescheid geben, das wir dei Hosen nicht mehr nehmen, meine Frau war am Wochenende bei TK Maxx und hat meine Tochter komplett neu eingekleidet, tut mir Leid. Mfg”
Nun – wenn die Frau am Wochenende (also Samstags) shoppen war, warum war es dann nicht möglich, kurz nach dem Einkauf oder noch am Wochenende das Handy zu zücken und abzusagen, so dass der Reservierungsstatus von mir umgehend hätte rausgenommen werden können? Echt ärgerlich! Deshalb reagierte ich auf die dahingeschnöselte Message auch in keinster Weise, sondern schaltete meine Klamotten wieder von “reserviert” auf “zu verkaufen” um.
Ein paar Tage später meldete sich ein Frau bei mir, die sich für Turnschuhe, die ich ebenso eingestellt habe, interessierte. Nach einem kurzen Schriftwechsel, der eigentlich seitens der Dame nur aus “Würde sie nehmen”, der Übermittlung meiner Kontonummer und der darauf folgenden Antwort “Werde sie heute überweisen” bestand, tat sich – nichts.
Auf eine Zusagte folgte – nichts
Weder erfolgte ein Zahlungseingang noch eine Nachricht, ob die Frau die Schuhe nimmt oder doch nicht.
Diese Beispiele, die noch um -zig weitere ergänzt werden könnten (ich erlebe sowas auf ebay-kleinanzeigen ständig), stehen auch für einen verloren gegangenen Anstand innerhalb unserer Gesellschaft. Wo man früher ja doch noch kurz Bescheid gab, dass man sich anderweitig eingedeckt oder kein Interesse mehr hat, folgt heute im Web nur allzuoft nach einer Kommunikation: Nichts.
Reservieren? Nein, danke!
Beim Online-Dating würde man das Ghosting nennen, Erfahrungen dazu finden sich stündlich neu im Internet. Wie man das im Bereich der Kleinanzeigen nennt, weiß ich nicht.
Ich weiß nur, dass ich niemals wieder einen Artikel für Leute bei ebay-kleinanzeigen auf “reservieren” stellen werde. Es sei denn, es wird gleich bezahlt – das ginge okay für mich. Ansonsten: No Way!
Bloß gut, dass ich angesichts solcher Gebaren beim letzten Erlebnis dieser Art schon gar nicht mehr auf den Reservierungs-Button gedrückt habe. Man lernt ja bekanntlich immer dazu…!
Bild (Symbolfoto): pexels.com / Yan Krukov