Ein kleines Hallo hier, einen guten Weg da und manchmal auch ein kleiner Plausch. So sieht wahrscheinlich das Durchschnittsnach-Narschaftsverhältnis in Deutschland aus. Wobei man das nicht verallgemeinern kann, da im ländlichen Raum doch engere Beziehungen – ganz oft auch Freundschaften – zwischen Nachbarn bestehen.
Die “Guten-Tag-und-guten-Weg”-Variante ist eher in (Groß)Städten anzutreffen.
Doch ganz gleich, ob Stadt oder Land: Den nachbarschaftlichen Talk sitzend auf einem Stuhl vor dem Haus abzuhalten – das wäre wohl in Deutschland unvorstellbar.
Ausgiebiger Schwatz unter freiem Himmel: In Spanien auf dem Dorf üblich
Ganz anders sieht es indes in anderen Ländern aus: Im ländlichen Spanien zum Beispiel gehört der ausgiebige Schwatz nach Feierabend, bei dem man sich vor dem Haus kurzerhand einen Stuhl aufstellt, zum Alltag. So mancher, der das südliche Europa vom Reisen her kennt, wird solche Szenen auf kleinen Dörfern sicher schon einmal mitbekommen haben.
Und genau dieses sympathische Ritual soll jetzt in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes aufgenommen werden.
Über die Hintergründe dieses kurios anmutenden Unterfangens berichtete die WELT auf ihrem Onlineportal am 1. Dezember 2021.
Petition für das Weltkulturerbe
Unter der Überschrift:
“Ein Dorf in Andalusien überrascht mit einer Petition”
heißt es:
“(…)In Andalusien lässt man sich gern mit den Nachbarn zum Plausch auf der Straße nieder. Der Bürgermeister des Örtchens Algar fordert nun, dass diese Tradition Weltkulturerbe wird. (…)
Und weiterhin:
“(…)Sobald die Sonne zu sinken beginnt, sich einen Stuhl schnappen, ihn draußen vor der Haustür aufstellen, warten, bis die Nachbarn dasselbe tun, und dann in einem langen gemeinsamen Plausch den Abend kommen lassen – was für eine nette Tradition.
In der Nordhälfte Europas allerdings würde einem so etwas nie einfallen. Auf einem Küchenstuhl vor dem Haus hocken? Mitten auf dem Bürgersteig, an der Straße? Und dann auch noch mit allen Nachbarn? In unseren Breitengraden würde so etwas vermutlich als Sitzstreik interpretiert.
Nachbarschaftspflege ist eben auch eine Frage der Geografie. In Andalusien ist die Charla al fresco, das Plaudern an der frischen Luft, ganz normaler Alltag. Und Carlos Sánchez Barea nennt es sogar „eine Therapie“.(…) Sánchez ist Bürgermeister von Algar. Ein Örtchen im Südosten von Sevilla, 1400 Einwohner, etwas Landwirtschaft, eine Fleisch-Kooperative, die Holzofen-Bäckerei wurde von Sánchez’ Großvater gegründet.(…)”
Der Ortsvorsteher hat für die Aufnahme dieses besonderen Plausches in das Weltkulturerbe sogar ein Video gedreht.
Im genannten Artikel auf welt.de liest man dazu außerdem:
“(…)Überall im Land schaute man sich das Video an, das der smarte Ortsvorsteher hat drehen lassen. Es zeigt, wie die Leute in Algar auf der Straße sitzen. Mal nur zu zweit, mal als Gruppe, mal auf Plastikstühlen, mal auf Korbsesseln, mal mit Hund, mal mit Kindern, in einer Reihe, im Kreis oder kreuz und quer.(…)Was das Video spektakulär macht:
Es ist Teil einer Petition. Der Bürgermeister beantragt im Namen seines Dorfes, die Plauderei an der frischen Luft von der Unesco schützen und in das immaterielle Kulturerbe aufnehmen zu lassen.(…)”
Ein Ansinnen, das sicherlich mit einem Augenzwinkern zu betrachten ist, aber supersympathisch rüber kommt. Schon allein, weil die Plauderei in diesem Stil hierzulande unvorstellbar ist.
Hierzulande kommen eher Küche oder Garten für Nachbarschaftsplausch infrage
Wenn man mit dem Nachbarn gut klar kommt, dann begibt man sich eher in seinen Garten oder nimmt in der Küche Platz. Stühle auf dem Bordstein ist dann doch mehr etwas, was in den warmen Süden passt.
Aber genau diese Melange – milde Temperaturen und gelassene Menschen schwatzend auf Stühlen – macht die Idee der kleinen spanischen Gemeinde, mit dieser Tradition ins Weltkulturerbe einzuziehen, so sympathisch.
Bleibt abzuwarten, ob das die obersten Kulturhüter auch so sehen!
Quelle: welt.de vom 1.12.21
Bild (Symbolfoto): picture alliance / imageBROKER | Jose Antonio Moreno castellano