Er war zu diesem Zeitpunkt in Deutschland etwas nie zuvor Dagewesenes und beschäftigte die Menschen noch lange danach: Der Amoklauf am Erfurter Gutenberg-Gymnasium im Jahr 2002. Insgesamt 16 Lehrkräfte, Mitarbeiter und Schüler fanden hierbei den Tod. Verursacht durch Schüsse, die der ehemalige Schüler der Schule, Robert Steinhäuser, am 26. April 2002 auf die Opfer abfeuerte. Wie die Öffentlichkeit noch am Tag dieses grausamen Verbrechens erfuhr, drang der Täter – ein der Schule verwiesener Schüler – in seine ehemalige Schule ein. Ganz gezielt suchte er Lehrer und Mitarbeiter als Opfer aus. An diesem blutigen Freitag starben auch zwei Schüler, die sich mit ihrer Lehrerin im Klassenzimmer verbarrikadiert hatten. Steinhäusers Waffe trafen sie durch die verschlossene Tür.
Erfurter Gymnasium hat durch den Amoklauf traurige Berühmtheit erlangt
Hörte man von diesen furchtbaren Geschehnissen noch Jahre danach, so erfuhr man doch wenig von den Überlebenden. Im aktuellen Podcast „Dieser eine Moment“ von Philip Fleiter, der neben diesem Audio-Format auch den Podcast „Verbrechen von nebenan“ ins Leben gerufen hat, spricht eine der Überlebenden des Gutenberg-Amoks – Sarah. Die damalige Schülerin des zu trauriger Berühmtheit gekommenen Gymnasiums schildert die Ereignisse aus ihrer Perspektive. Somit bekommen Außenstehende einen Blick hinter die Kulissen.
Wie erlebten die Schüler den Horror, was spielte sich in dem verbarrikadierten Klassenzimmer ab, wann kam die Polizei ins Schulgebäude? All das schildert Philip Fleiters Interviewpartnerin eindrücklich und aus ihrer Perspektive. Obgleich die Fragestellung sehr sensibel und unaufgeregt geführt wird und Sarah ruhig und ausgeglichen antwortet, schwingt das Grauen dieses entsetzlichen Verbrechens in jeder Silbe mit. Der Zuhörer bekommt einen umfassenden, ganz persönlichen Einblick des Horrors, den Sarah, ihre Mitschüler und ihre Lehrerin im verschlossenen Klassenzimmer erlebten.
Man fühlt in jeder Minute der Schilderungen mit den Schülern mit. Ist entsetzt über die Kaltblütigkeit und Grausamkeit des Täters und erleichtert, als Sarah den Moment der Befreiung durch die Polizei schildert. Wohltuend ist die ruhige Atmosphäre des Podcasts, in der allein Sarahs Perspektive auf die Tragödie Raum gegeben wird.
Nach dem Podcast klingen die Erlebnisse nach
Man bleibt am Ende – wie bei einem Buch, das Entsetzliches schildert – noch immer im Banne der Schilderungen der Überlebenden. Ganz leise muss man diese für sich erst mal nachklingen lassen. Das Interview in „Dieser eine Moment“ dürfte deshalb nicht nur jene interessieren, die 2002 schockiert vor dem Fernseher saßen und diese Amok-Tat nicht fassen konnten, sondern auch die Leute, die nach 2002 geboren wurden. Und das Verbrechen somit nur aus den Medien oder aus Erzählungen ihrer Eltern kennen.
Philip Fleiter, der sowieso für seine einfühlsame Erzählweise in seinen Podcasts bekannt ist, ist hier ein stilles, sehr hörenswertes Porträt gelungen, das anzuhören sich lohnt!
Mehr zu dem Amoklauf am Erfurter Gutenberg-Gymnasium finden Sie hier.
Bild (gedenkende Schüler vor dem Gutenberg-Gymnasium in Erfurt):
picture-alliance/ dpa | Mario Gentzel
Quelle: Podcast „Dieser eine Moment“ vom 05. Oktober 2025