Ein, zwei nette Sätze, eine Nachfrage, eine empathische Kommunikation – die erlebt man heutzutage in den Supermärkten der Großstädte nur noch ganz selten. Vor Jahrzehnten dagegen war es durchaus noch üblich, dass die Kassiererin selbst in städtischen Supermärkten die Kundin mit “Na, Frau Müller, geht es Ihrem Mann besser?” begrüßte. Oder den netten, älteren Stammkunden fragte, wie es denn beim Besuch bei den Enkeln so war.
Lange her!
Senioren-Einsamkeit in Westeuropa leider eine Massen-Erscheinung
Wer dagegen heutzutage in einer langen Schlange an der Kasse eines Supermarktes steht, der weiß, wie es abläuft. Genervtes, hörbares Ein- oder Ausatmen, unruhige Körperbewegungen, die Ungeduld signalisieren und hastiges Wegpacken der Produkte, wenn man denn einmal abkassiert ist. So geht es zu in den Supermärkten, in denen sich zudem häufig nur wenige Mitarbeiter um alles kümmern. Kassieren, auspacken, Brötchenback-Automat anwerfen, Pfandrückgabestelle ausleeren, und, und, und…Zeitdruck und Stress beherrschen Kundschaft wie Personal gleichermaßen, weshalb das persönliche Gespräch an der Kasse so gut wie nie stattfindet. Zumindest in (Groß)Städten nicht.
Dabei sind gerade das die Zonen, in denen viele Menschen unvorstellbar einsam sind. Zumeist alte Menschen. Man sieht sie oft am Fenster, wo sie stundenlang rausschauen. Sie sitzen nicht selten auch lange Zeit in den Wartezimmern der Städte, geduldig auf die Audienz beim Arzt wartend. Die fürsorglichen Weißkittel sind für manche Senioren, die weder Freunde noch Familie in der Nähe haben, oftmals der einzige reale “Gesprächs-Kontakt”. Da wird ein harmloser Schnupfen schon mal zum Anlass genommen, sich dem Doktor vorzustellen. Selbst mancher Krankenkassen-Anruf ist für den einen oder anderen alten Menschen eine willkommene Abwechslung im grauen Einsamkeits-Alltag.
Gegen die ungeliebte Abgeschiedenheit, in der viele betagte Frauen und Männer in westeuropäischen Ländern leben, hat man nun in den Niederlanden eine geniale Idee entwickelt: “Plauderkassen”. Bestimmte Kassenzonen in Supermärkten werden dort zu Kommunikations-Inseln. Sprich: Einsame Menschen haben an diesem Ort die Möglichkeit, das eine oder andere Wörtchen mit der Kassiererin zu wechseln, ohne dass genervtes Getrappel und Gemurmel aus der hinteren Schlange dringt.
Plauderkassen in niederländischen Supermärkten
Eine grandiose Idee, über die das Portal stern.de wie folgt berichtet:
“(…)Im niederländischen Vlijmen, in der Nähe von ‘s-Hertogenbosch, jedoch, startete eine Supermarktkette im Juli mit einem Gegenentwurf zum Einkauf unter Zeitdruck. Der Jumbo-Supermarkt richtete dort eine “Kletskassa” ein, eine “Plauderkasse”, an der es nicht um Tempo geht. Wer sich hier anstellt, bringt Zeit mit und kann sich sicher sein, dass die Kassiererin das gleiche tut: Hier geht es auch ums Quatschen, so wie früher im Tante-Emma-Laden.(…)Neben der Plauderkasse hat der Jumbo-Supermarkt noch einen Platz für Kaffeeklatsch eingerichtet, eine weitere Initiative gegen die Einsamkeit. Dort nehmen sich Freiwillige der niederländischen Stiftung “Alles Voor Mekaar” (Alles für einander) Zeit, um sich mit Menschen zu unterhalten, die Lust auf ein Gespräch haben. Darüber hinaus kommen durch die Stiftung einsame Senioren auch mit Freiwilligen zusammen, die ihnen beim Einkaufen, im Haushalt oder Garten helfen oder ihnen ganz schlicht Gesellschaft leisten, berichtet die Supermarktkette.
“Wir fühlen uns unserer Umgebung verpflichtet und wollen ein guter Nachbar sein”, erklärt Colette Cloosterman-van Eerd, CCO von Jumbo. “Unsere Filialmitarbeiter kennen die Kunden und nehmen regelmäßig Anzeichen von Einsamkeit im Geschäft wahr.(…)”
Klingt wunderbar!
Und sollte auch hierzulande unbedingt Schule machen. Denn: Die Einsamen werden nicht weniger. Leider. Schon vor einigen Jahren brachte das Magazin DER SPIEGEL hierzu einen erschütternden Bericht. Dass es seitdem besser geworden ist, darf bezweifelt werden.
Hierzulande gibt es einige Initiativen gegen Senioren-Einsamkeit
Obgleich es in Deutschland natürlich Initiativen gegen Einsamkeit gibt. Die bekannteste dürfte die von Schauspielerin Mariella Ahrens sein. Die aus dem Fernsehen bekannte Aktrice setzt sich lange schon für ältere Menschen, die allein sind, ein.
Bleibt zu hoffen, dass auch Deutschland bald Kassenzonen für das ältere Kundenklientel bekommt. Zumindest in Großstädten. Im Ländlichen kann man es nämlich – sowohl in kleinen Läden als auch in Supermärkten – durchaus noch beobachten: Das freundliche Wort an die betagte Kundin, das ehrliche Interesse an dem alten Mann, der aller paar Tage zum Einkaufen kommt, das Lächeln gegenüber der eleganten Dame, die erst seit kurzem verwitwet und um die 80 ist.
Möge dieses Miteinander nie aussterben. Wir sind alle darauf angewiesen. Früher oder später…!
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