Samstag, 14. Juni, 2025

Neueste Beiträge

Warum Bindungsstile unsere Partnerschaften beeinflussen…


…und was wir tun können, um uns selbst besser zu verstehen! Ein Gastbeitrag über Bindungsstile von Heike Klopsch

Manchmal passt es scheinbar gut zwischen zwei Menschen – und trotzdem wird es kompliziert, sobald es verbindlich wird. Einer zieht sich zurück, der andere sucht Nähe. Die Gespräche werden weniger, die Unsicherheiten größer. Was anfangs leicht war, wird schwer.
So geht es Jule und Klaus. Sie sind seit ein paar Monaten ein Paar. Jule merkt, wie sie sich immer öfter fragt, ob Klaus wirklich bei ihr ist. Er meldet sich seltener, wirkt in Gesprächen abwesend, zieht sich körperlich zurück. Jule spricht es an. Klaus reagiert ausweichend, betont, wie viel ihm an ihr liegt, aber dass er auch Freiraum brauche. Danach ist Jule erst recht verunsichert. Sie macht mehr, um die Verbindung zu halten. Klaus zieht sich noch weiter zurück. Was hier geschieht, lässt sich nicht über Schuld erklären.

Es ist auch kein Beweis dafür, dass jemand „nicht genug liebt“. Häufig ist es ein Zusammenspiel zweier unterschiedlicher Bindungsstile – und das Wissen darüber kann helfen, diese Dynamiken zu verstehen.

Was Bindungsstile mit Beziehung zu tun haben

Unsere Bindungsstrategien entstehen früh. In der Kindheit lernen wir, wie verfügbar andere für uns sind, wie viel Nähe möglich ist, wie viel Verlässlichkeit wir erfahren – oder eben nicht. Diese frühen Erfahrungen speichern wir als innere Arbeitsmodelle von Beziehung. Später begegnen uns diese Muster wieder. Meist dann, wenn es enger wird.

Manche Menschen erleben Nähe als wohltuend. Sie können sich auf andere einlassen und sich gleichzeitig selbst gut spüren. Andere reagieren auf Nähe mit innerem Rückzug. Sie sind schneller gestresst, wenn sie merken, dass jemand Erwartungen an sie hat. Und wieder andere brauchen sehr viel Bestätigung, um sich sicher zu fühlen. Sie reagieren sensibel auf kleinste Zeichen von Rückzug.

Diese Unterschiede werden besonders sichtbar, wenn zwei Menschen mit gegensätzlichen Bindungsmustern aufeinandertreffen – wie Jule und Klaus.

Jule: Wenn Verlustangst laut wird

Jule ist schnell in Verbindung. Sie spürt genau, wenn sich etwas verändert. Dass Klaus seltener schreibt oder Treffen absagt, verunsichert sie stark. Sie beginnt, mehr zu investieren, sucht das Gespräch, fragt nach. Doch das hilft nicht – im Gegenteil. Klaus wirkt immer weiter entfernt.

Für Menschen mit einem eher ängstlich-ambivalenten Bindungsstil ist Nähe wichtig – aber sie ist auch nie ganz sicher. Oft steckt dahinter die Erfahrung, dass Zuwendung in der Kindheit nicht selbstverständlich war. Man musste sich anpassen, aufmerksam sein, sich bemühen. Das führt zu einem tiefen Bedürfnis nach Verbindung, aber auch zu einer ständigen inneren Anspannung: Bleibt mein Gegenüber wirklich da?

Klaus: Wenn Nähe schnell zu viel wird

Klaus geht es anders. Er merkt, dass ihm die Beziehung manchmal den Atem nimmt. Nicht, weil er Jule nicht mag – sondern weil Nähe bei ihm alte Alarmzeichen auslöst. Er reagiert mit Rückzug. Meist unbewusst. Er meldet sich weniger, weil er Distanz braucht, um sich wieder regulieren zu können.

Klaus hat früh gelernt, emotional auf sich selbst gestellt zu sein. Zuwendung war entweder nicht verfügbar oder an Bedingungen geknüpft. In seinem Bindungssystem – man spricht von einem vermeidenden Bindungsstil – bedeutet Nähe oft auch: Kontrolle, Erwartung, Überforderung. Er schützt sich – durch Rückzug.

Warum sich gerade diese Muster oft finden

Was paradox wirkt, ist in Wahrheit ein bekanntes Muster: Menschen mit ängstlicher Bindung suchen oft Partner mit vermeidendem Bindungsstil – und umgekehrt. Es gibt eine gewisse Vertrautheit im Unvertrauten. Man kennt die Dynamik, auch wenn sie schmerzhaft ist. Für Jule fühlt sich die Distanz von Klaus ähnlich an wie früher die emotionale Unverfügbarkeit wichtiger Bezugspersonen. Und für Klaus ist Jules Bedürftigkeit der Moment, in dem er das Gefühl bekommt, wieder nicht genug Freiraum zu haben.

Beide erleben den anderen nicht als sicheren Hafen. Und beide reagieren mit Strategien, die früher einmal überlebenswichtig waren – in der aktuellen Beziehung aber neue Verletzungen verursachen.

Bindungsmuster erkennen – Bindungsstil verändern

Solche Dynamiken lassen sich verändern. Voraussetzung dafür ist, sie überhaupt wahrzunehmen. Es geht nicht darum, sich oder dem anderen ein Etikett zu verpassen. Aber darum, zu verstehen, was auf tieferer Ebene wirkt.

Für Jule kann es hilfreich sein, sich ihrer Verlustangst zuzuwenden – ohne sich von ihr bestimmen zu lassen. Zu lernen, bei sich zu bleiben, auch wenn das Gegenüber sich kurz zurückzieht. Für Klaus kann es bedeutsam sein, sich mit seinen Schutzstrategien auseinanderzusetzen. Und sich zu fragen, ob der Rückzug wirklich die einzige Möglichkeit ist, mit Nähe umzugehen.

Beide können lernen, einander besser zu verstehen – vorausgesetzt, sie sind bereit, sich auch selbst ehrlich zu begegnen.
________________________________________________________________________
Heike KlopschHeike Klopsch ist zertifizierte Coachin und betreibt die Praxis Herzkümmerei. Der Schwerpunkt ihrer Arbeit liegt auf den Themen Trennung und Liebeskummer. Bindungsmuster und -stile sowie Selbstwertarbeit stehen dabei im Fokus. www.herzkuemmerei.de

 

Bild: pexels.com / Katie Salerno

Latest Posts

Nicht verpassen!