„Dann passiert das Leben“ ist ein einfühlsames, leises Ehedrama von Regisseurin Neele Leana Vollmar, das sich Zeit nimmt. Für Rituale, unausgesprochene Konflikte und das, was nach Jahrzehnten Ehe übrig bleibt. Im Zentrum stehen Anke Engelke als Rita und Ulrich Tukur als Hans. Ein Paar, dessen Alltag kurz vor der Pensionierung von Routine, nahender Veränderung und einem einschneidenden Schicksalsschlag geprägt ist.
„Und dann passiert das Leben“: In Gewohnheiten gefangen
Hans, ein Schuldirektor, steht kurz davor, in den Ruhestand zu gehen. Rita hingegen ist in ihren festen Gewohnheiten wie erstarrt und gemeinsam leben sie in einer bodenständigen, aber entfremdeten Partnerschaft. Ihr Sohn Tom ist längst ausgezogen, das Haus wirkt ruhig – und doch liegt unter allem eine Art tiefer Riss. Eines Abends verändert ein Unfall mit dem Auto alles. Rita glaubt, einen Menschen getötet zu haben. Diese Tragödie zwingt die beiden – zu Eigenbrötlern mutierten – Partner, sich neu zu begegnen. Schuld, verdrängte Gefühle und Vergebung kommen ins Spiel.
Öde Routinen haben die Liebe eingefroren
Damit geraten auch die öden Routinen, die sich bei Rita und Hans eingeschlichen haben, wie unter ein Brennglas und lassen nur erahnen, welche Gefühle das Paar einst verband. Rita ist kontrollierend, vorsichtig und sehr in ihrem Alltag verankert. Sie wirkt nicht frei von Bitterkeit, ihre Routinen sind ihr Schutz – und gleichzeitig ihr Gefängnis. Hans dagegen ist sensibler. Mitunter wirkt er wie ein Beobachter seines eigenen Lebens. Regisseurin Vollmar zeigt die feinen Risse in ihrer Beziehung: Unausgesprochene Verletzungen, alte Affären, stumme Nähe…All das kommt mit einer Intensität daher, die nicht laut, aber sehr spürbar ist.
Eine andere schauspielerische Facette: Engelke in ernster Rolle
Anke Engelke zeigt sich hier von einer ganz anderen Seite als in ihren bekannten Comedy- oder Ulk-Rollen. Ihre Darstellung der Rita ist zermürbt und bitter, aber auch tief verletzlich. Ulrich Tukur als Hans bringt sowohl eine ruhige Würde, als auch eine tiefe Unsicherheit in die Figur ein. Man kennt das von anderen Rollen, in denen er feinsinnige und ruhige Charaktere verkörpert hat. Sein Spiel in „Und dann passiert das Leben“ vermittelt, wie sich jemand durch die eigene Lebensleistung verändert. Die Chemie zwischen den beiden ist stark, kleine Gesten und Blicke sagen mehr als große Monologe.
Leiser Filmgenuss, der von Feingefühl geprägt ist
Regisseurin Vollmar gelingt mit „Dann passiert das Leben“ ein subtiler Blick auf die Spätphase einer Ehe. Die Regie verzichtet auf dramatische Höhepunkte – stattdessen stehen Alltagsrituale, symbolträchtige Bilder und leise Gesten im Zentrum. Die Kameraarbeit ist zurückhaltend, aber sehr bewusst und auch der Schnitt unterstreicht die schwermütige Atmosphäre.
Der Film exploriert zentrale menschliche Themen: Alltagstrott, Vergebung, Schuld, Routine, Altern und die Frage, ob es im Herbst des Lebens noch Raum für Veränderung gibt. Und wenn ja, wie das wohl aussehen könnte. Der Unfall, der in das Leben des nahezu erstarrten Paares prallt, ist nicht nur ein Plot-Twist, sondern steht metaphorisch für das Unerwartete im Leben. Er fungiert als Katalysator für die innere Wandlung der Figuren. Gleichzeitig ist „Dann passiert das Leben“ aber auch eine Liebeserklärung an das „Durchhalten“. An die Menschen, die es nach vielen gemeinsamen Jahren noch mal wagen, einander neu zu entdecken.
Lohnt sich der Kinobesuch?
Ist der Film zu empfehlen? Absolut! Insbesondere für ein Publikum, das leise, gut beobachtete Dramen schätzt. „Dann passiert das Leben“ ist kein lauter Film über dramatische Wendungen, sondern ein sehr menschliches Porträt einer Ehe, die sich nach Jahrzehnten neu findet, neu finden muss. Die Mischung aus Melancholie, angedeuteter Komik und existenzieller Tiefe macht ihn zu einem empfehlenswerten Erlebnis für alle, die Kino nicht nur als Unterhaltung, sondern auch als Spiegel des Lebens sehen.
Bild: ©Majestic/Daniel Gottschalk