„Wie nennt man die Angewohnheit, alle Lebensmittel in Plastikdosen zu verpacken?: Tupperkulose!“ las ich neulich bei Facebook und musste schallend lachen. Kennen Sie das auch? Sie haben eine oder mehrere Freundinnen, die sich nebenher etwas verdienen wollen. Selbstverständlich unterstützen Sie das nach Kräften, weil Sie eine gute Freundin sind.
Und plötzlich sitzen Sie auf einer Menge Partys herum, an deren Ende es immer darum geht, dass Sie etwas einkaufen. Im Grunde genommen wäre „Verkaufsveranstaltung mit Schnittchen“ die richtige Bezeichnung, aber „Party“ klingt einfach besser, obwohl ich dort noch nie jemanden habe tanzen gesehen.
Vorweg: Ich liebe zum Beispiel Tupperware. Hätten Sie mir vor 30 Jahren erzählt, dass ich mal so viele Schüsseln und Behälter dieser Firma horte, dass ich keine Schranktür mehr gefahrlos öffnen kann, ohne mindestens zwei oder mehr von den Dingern auf die Nase zu kriegen, weil sie mir entgegenpurzeln, hätte ich Sie ausgelacht.
Aber irgendwann – vor vielen Jahren – konnte ich den Einladungen nicht mehr ausweichen. Die Einschläge kamen immer näher, ich kriegte so viele Aufforderungen per Postkarte, Telefon oder über den Gartenzaun hinweg (die Nachbarin…), dass es unmöglich war, alle abzulehnen. Und so landete ich in grauer Vorzeit auf meiner allerersten „Party“.
Seitdem kann ich nicht mehr damit aufhören.
Die Dame buk damals für uns einen Kuchen in der Mikrowelle (wollte ich auch!!), formte kugelrunde Snacks aus Blätterteig mit Haselnussfüllung (hab ich!), briet Pfannkuchen, indem sie alle Zutaten für den Teig in eine Dose warf und schüttelte (hab ich) und machte einen Braten (hab ich, ist ja klar.) Außerdem rollte sie Plätzchenteig geschickt mit einer schneeweißen wassergekühlten Nudelrolle (hab ich) und schnitt Zwiebeln auf einem wirklich innovativen Brett. (hab ich).
Was ich mittlerweile nicht mehr habe, ist Platz.
Es gibt ziemlich wenig, das man mit den Artikeln dieser Firma nicht machen kann, das weiß jeder. Und wenn ich wirklich mal einen dieser Behälter verleihen muss („Die brauche ich unbedingt wieder, die sind nicht aus dem Supermarkt, das ist Tupperware!“), dann rufe ich denjenigen mindestens einmal in der Woche an zur Erinnerung. Meine Tupperware ist mir heilig.
Auch meine Schwiegermutter gehört zum Kreis der Frauen mit „Tupperkulose“, und wenn sie mir Essen hierlässt, dann schickt sie mir spätestens am nächsten Tag eine SMS mit dem Inhalt: „Die blaue Tupperschüssel mit dem hellgrünen Deckel ist meine. Und denk bitte an die Mikrowellenbehälter und den Eidgenossen!“
Wir kennen unsere Schüsseln auswendig und jeden einzelnen Kratzer daran auch.
Aber mit Tupperware ist es in meinem Fall leider nicht getan. Eine meiner Bekannten verkauft seit neuestem Kerzen, die rückstandsfrei verbrennen, eine andere Putzmittel, die nächste sündteure Hautpflege-Produkte, und die letzte hübsche Dessous und äääh… sonstige Dinge. Auch die Herrschaften, die an meine Tür klingeln und mir etwas verkaufen wollen, darf man nicht vergessen. Bis auf die Zeugen Jehovas, die sind immer sehr distinguiert und wollen eigentlich etwas da lassen.
Seit Jahrzehnten (doch wirklich!) klingelt einmal im halben Jahr ein älterer Herr mit graumelierten Schläfen im perfekt sitzenden Zweireiher und möchte meine Teppiche probesaugen. Er ist höflich, aber bestimmt und lässt sich nur schwer abwimmeln. Ein paar Mal war ich schon in Versuchung, ihn reinzulassen, denn ich habe Haustiere, und er wäre eine Weile beschäftigt gewesen, aber ich habe nicht gern fremde Leute in der Wohnung.
Bei seinem letzten Besuch erklärte ich mit einem beschämten Augenaufschlag:
„Tut mir leid, mein Mann hat mir verboten, an der Haustür was zu kaufen.“ Seitdem war er nicht mehr da.
Das hat er akzeptiert. Der Herr ist um die 60 und erinnert sich noch an die Zeiten, in denen Männer ihren Frauen irgendwas verbieten durften. Ich hab mich ein bisschen geschämt, weil ich gelogen habe, aber das war es wert.
Wesentlich anfälliger als für Staubsauger zum Preis eines Gebrauchtswagens bin ich für Tiefkühl-Kost. Sie wissen schon: die Herren mit den Kitteln in einheitlicher Farbe, die regelmäßig läuten und wissen wollen, ob man nicht doch zwei gefüllte Eichhörnchen mit Knödeln oder Cappuccino-Ravioli mit Salbei-Pesto bei ihnen bestellen möchte. Weil sie doch nur alle vier Wochen vorbeischauen und das Zeug direkt ins Haus liefern.
Mittlerweile war ich Kundin bei mehreren Firmen, denn ich kann schlecht „Nein“ sagen. Das sieht immer alles so gut aus im Katalog, und die Lieferanten sind unglaublich höflich. Darum kommt mein Mann öfter zu exotischen Mahlzeiten wie Straußen-Steak oder indischen Linsengerichten. Anfangs hab ich immer noch behauptet, ich hätte das selbst gekocht, aber es war nix angebrannt und alles einwandfrei, darum durchschaute er das Theater relativ schnell.
Jeden Monat nehme ich mir vor: „Diesmal kaufst du nix.“ Aber die schauen einen immer so treuherzig an, und so türmt sich in meinem Gefrierschrank von Gemüse bis zum Seelachs alles, was gut und teuer ist. Die Herren lassen Ausreden aller Art nicht gelten, sogar wenn ich die Tür der Gefriere öffne und sage: „Gucken Sie mal, da passt kein Blatt mehr dazwischen, wie soll ich denn noch eine 3-Kilo-Lasagne reindrücken? Ich hab ja noch nicht mal den Krokodil-Braten vom letzten Jahr geschafft.“
Aber das kriege ich irgendwann noch in den Griff. Ich kenne diese Leute ja nicht, im Gegensatz zu meinen Freundinnen, die alle in ihrer neuen Verkaufstätigkeit voll und ganz aufgehen. So wie mein Portemonnaie auch…
Darum sitze ich seit Jahren auf Gartenstühlen in Wohnzimmern, umringt von neuen weiblichen Bekannten, während mir Cremes ins Gesicht gerieben werden oder beobachte staunend, wie eine Dame meinem alten Schurwollteppich mit „Hauruck“-Produkten zu neuem Glanz verhilft. Oder ich suche verzweifelt die Streichhölzer vom letzten Weihnachten, weil auf meinem Tisch 60 Kerzen drapiert sind, die angeblich alle ganz toll brennen. Wenn ich es schaffe, sie anzuzünden.
Männer sieht man so gut wie nie auf solchen Partys, zumindest ist das meine Erfahrung nach vielen Jahrzehnten. Allerdings wären sie an Dessous-Partys alle sehr interessiert gewesen, nur dürfen sie da nicht kommen.
Aber bis auf Tupperware habe ich einfach kein Glück mit den Produkten, die ich auf diesen coolen Partys kaufe.
Dabei hab ich mich so frisch und verjüngt gefühlt, als Theresa mir vor Monaten ein Pfund der neuen supertollen Nachtcreme ins Gesicht schmierte. Theresa versichert mir, alle würden mich für höchstens 25 halten, wenn ich ab sofort vier Wochen am Stück die neue Creme zum Sonder-Einführungspreis von 140 € pro Tiegel benützte.
Natürlich kaufte ich eine. Und eine Reinigungslotion. Und das Augenöl. Den Kassenzettel versteckte ich vor meinem Mann, sonst hätte der vermutlich Sauerstoff und einen Defibrillator gebraucht.
Nach drei Tagen mit der neuen Creme war mein Gesicht von stattlichen Pusteln bedeckt, die schneller wuchsen als die deutsche Staatsverschuldung, und es stellte sich heraus, dass ich die Produkte dieser Firma nicht vertrug. Also verschenkte ich sie wieder, was nicht so einfach war, wie es sich anhört. Bei Gratis-Geschenken sind viele Leute misstrauisch, und mein mit Pusteln übersätes Gesicht sprach für sich.
Meine Einkäufe auf der „Putz-Party“ waren ähnlich erfolglos.
Sieglinde säuberte vor 5 staunenden Augenpaaren meinen Gabbeh-Teppich, bis er aussah wie frisch gekauft. Oder geknüpft.
„Reinigt alles!“ versicherte sie mit strahlendem Lächeln, also schlug ich zu, in der Größenordnung des Militäretats eines kleinen mittelamerikanischen Landes, versteckte wieder den Kassenzettel und freute mich, dass ich künftig nie mehr Angst vor Flecken im Orient-Teppich haben musste.
Als ich allerdings eine Woche später meine Fenster mit dem Zeug (genau nach Vorschrift) putzte, sahen die hinterher aus, als hätte sie ein Tyrannosaurus Rex mit schwerer Parodontose abgeleckt.
Also stellte ich enttäuscht die monströse Flasche im Gegenwert einer schicken Handtasche von „Picard“ ins Gartenhäuschen und warte seitdem auf eine günstige Gelegenheit. Vielleicht kommt die von gegenüber ja mal zu mir, weil ihr die Reinigungsmittel ausgegangen sind. Die hat genügend Zeit, immer vor der Haustür rumzubrüllen, also kann sie auch ihre Fenster zweimal saubermachen.
Der gönne ich das.
Es ist wie es ist: Man kauft immer etwas ein auf diesen Partys, ich habe noch nie erlebt, dass jemand gegangen ist, ohne wenigstens ein einziges Teil zu bestellen.
Die wenigsten kommen ja vorbei, weil sie neugierig auf die Produkte sind, sondern weil sie a) die Einladung aus verschiedenen Gründen nicht ablehnen können oder b) wegen a). Ja, genau.
Zu solchen Partys einladen kann nur jemand, der genügend Guthaben bei der „Gefälligkeitsbank“ gesammelt hat („Tust du mir einen Gefallen, hast du wieder einen bei mir gut“.) Das funktioniert seit Jahrzehnten so und wird immer so bleiben. Dann kommen sie, weil sie einem was schulden. Aber der Zweck heiligt die Mittel. Und die Putzmittel.
Jedes Mal nehme ich mir vor: „Höchstens ein einziges Teil, Barbara, ok?“
Und jedes Mal werden mir anschließend lastwagenweise Behälter, Kartoffelschäler, Body-Lotions oder Allzweckreiniger geliefert, mit denen ich ganz offensichtlich als einziger Mensch auf diesem Planeten unfähig bin, umzugehen.
„Wir müssen mal was anderes machen“ sagte ich darum neulich zu meinen vier Freundinnen, als wir beim Apfelkuchen zusammensaßen und über unsere Männer herzogen.
„Immer kaufen wir viel zu viel auf diesen Veranstaltungen ein. Lasst uns doch mal eine Tausch-Party mit Klamotten machen!“
Alle fanden, es wäre eine super Idee, Kleidung, die man selbst nicht mehr tragen möchte oder kann, gegen was zu tauschen, das gut erhalten ist und einem gefällt.
Also trafen wir uns eine Woche später an einem Freitagabend. Jede von uns hatte mehrere Säcke mit abgelegten Sachen dabei.
Und dann… stellte sich heraus, dass wir nicht weiter als von Wand bis Tapete gedacht hatten, denn wir fünf sind grundverschieden. Von Kleidergröße 36 – 48 war alles dabei. Das hübsche Dirndl von Beate schlackerte an mir wie ein Kartoffelsack, dafür kam Beate in mein feuerrotes Etui-Kleid gerade mal mit dem linken Arm rein.
Wir schauten uns entgeistert an und prusteten los. Dann köpften wir ein paar Piccolo-Flaschen und machten uns einen netten Abend. Und nach dem dritten Glas hätten wir gern irgendwas gekauft, denn wir waren in Geberlaune und herrlich beschwipst.
Ich überlegte kurz, ob ich meine Kartons voller Plastikschüsseln, Reinigungsmittel und Super-Kerzen aus dem Vorratsraum holen sollte, um ein Geschäft nebenher zu machen, entschied mich dann aber dagegen, da ich das mit dem Abkassieren nicht mehr hingekriegt hätte.
Aber sollte ich wieder mal als Gastgeberin für eine dieser Partys fungieren, habe ich für mich selbst neue Grundregeln aufgestellt:
• Putze gründlich und am besten zweimal. Da kommen nur Frauen, und die sehen alles.
• Serviere Häppchen, die hübsch angerichtet sind. Da kommen nur Frauen, und die können das mindestens genauso gut wie du.
• Wenn du das erledigt hast, putze nochmal. Wie gesagt: Die sehen alles.
• Serviere massenhaft eiskalten Sekt. Sehr viel Sekt. Nach dem vierten Glas kaufen die alles, dann brauchst du selbst nichts mehr zu kaufen.
• Bleib selbst unbedingt nüchtern! Wichtig!
Und jetzt entschuldigen Sie mich bitte – ich sehe gerade, ich hab schon wieder zu viel Geld im Portemonnaie. Gudrun hat mich zu einer „Hauruck“-Party eingeladen. Ich nehme den Läufer vom Flur mit, der sieht übel aus. Vielleicht gibt’s ja mittlerweile eine Flüssigkeit, mit der ich umgehen kann.
Sekt hat Gudrun ja immer zuhause. Gottseidank.
Ich wünsche Ihnen schmunzelnd eine schöne restliche Woche!
Ihre
Barbara Edelmann
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